Vor dem traditionellen Treffen der Südwest-CDU im Kloster Schöntal hat der Sozialflügel der Partei heftige Kritik an der eigenen Landesspitze geübt. »Wir müssen politisch in Baden-Württemberg in diesem Jahr in die Offensive gehen und Widerspruchsgeist beweisen«, sagte Christian Bäumler, Landeschef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die CDU brauche endlich eigene Ideen und ein eigenes Profil im Land, etwa in der Bildungspolitik oder beim Ausbau der erneuerbaren Energien. »Wir müssen zu einer Positionierung kommen und Klartext reden.«
Es gebe einen Stau an politischen Fragen, die beantwortet werden müssten, sagte Bäumler etwa zum Verkauf von Anteilen des Stromnetzanbieters TransnetBW durch EnBW. »Es darf nicht dabei bleiben, dass wir uns in Gremiensitzungen loben.« Der Landesverband müsse so langsam auch auf eine Spur kommen, die die Partei Richtung Landtagswahl führe. »Es muss ein politisches Signal des Aufbruchs und der Eigenständigkeit in der Regierungskoalition gegenüber dem selbstherrlich auftretenden Ministerpräsidenten geben.«
Als Hauptverantwortlichen benannte Bäumler den CDU-Landeschef. »Thomas Strobl trägt die Verantwortung.« Als Minister mache er zwar eine gute Arbeit, aber als Parteivorsitzender müsse er in der Regierung auch ein eigenes Profil entwickeln. Die CDU zeige zu wenig Profil, vor allem in der Bildungs- und Energiepolitik. Bäumler nannte es etwa eine »ökologische und ökonomische Katastrophe, wie schwach wir bei den erneuerbaren Energien aufgestellt sind«. Im Bildungsbereich forderte er die Einführung eines verpflichtenden Vorschuljahres.
Die CDU sei jetzt in einer Phase, wo sie sich nach der Pandemie gerade wieder aufbaue, sagte Bäumler. Es sei wichtig, dass man den Mitgliedern und der Basis sage, wofür man stehe und was für Ziele man habe. Der CDA-Chef warnte: »Sonst wird es bei der Altersstruktur schwierig, dass wir weiterhin eine starke Rolle spielen.« Bäumler ist auch Vize-Vorsitzender des bundesweiten Arbeitnehmerflügels der Union, der CDA, und sitzt im Landesvorstand der CDU.
Die Südwest-CDU kommt am Freitag und Samstag nach mehrjähriger Pandemie-Pause erstmals wieder im Kloster Schöntal zu ihrer traditionellen Frühjahrsklausur zusammen. Rund 150 Christdemokraten werden erwartet, heißt es beim Landesverband - der Landesvorstand, die Kreisvorsitzenden, Abgeordnete aus EU-Parlament, Bundestag und Landtag, Kreisgeschäftsführer, CDU-Oberbürgermeister und -Landräte und Vorsitzende der Landesfachausschüsse, Netzwerke und Arbeitskreise.
Inhaltlicher Schwerpunkt diesmal: Sicherheit, und zwar in einem globalen Kontext. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, ist zu Gast und berichtet über Gefahren aus dem Ausland. »Er ist ein intimster Kenner der weltweiten Lage. Er kann komplexe Inhalte gut vermitteln«, sagte CDU-Landeschef Strobl. »Schöntal dient besonders der internen Beratung, aber mir ging es immer darum, dass wir auch Expertise von außen dazu nehmen.« Strobl befasst sich seit Jahren als Innenminister etwa mit den Gefahren der Cyberkriminalität. Hackerangriffe werden heute auch von Staaten gefahren, warnt er. »Mit 500 IT-Fachleuten kann man heute genauso Unheil anrichten wie mit 10.000 Soldaten. Das werden sich die Despoten zunutze machen.«
»Er setzt auf seine Stärken«, kommentierte Bäumler den inhaltlichen Fokus des Innenministers. »Aber es reicht eben nicht aus, um in der Breite der Gesellschaft anzukommen.«
Die Christdemokraten wollen sich in Schöntal auch bereits ein wenig auf künftige Kommunalwahlen einstimmen. So stehen 2023 etwa Oberbürgermeisterwahlen in Mannheim und Ulm an.
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