Die meisten Menschen im Südwesten sind angesichts der Krise und der steigenden Preise in großer Sorge um Wirtschaft und sozialen Zusammenhalt. Zugleich ist das Vertrauen in die Arbeit der Landesregierung aus Grünen und CDU stark gesunken. Das ist das Ergebnis einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag von SWR und »Stuttgarter Zeitung«, die am Donnerstag veröffentlicht wurde.
Demnach machen sich drei Viertel der Menschen (74 Prozent) große oder sogar sehr große Sorgen, wenn sie an die wirtschaftliche Entwicklung denken. Das ist ein Plus von 22 Prozentpunkten im Vergleich zur Umfrage im April. 78 Prozent der Befragten sehen den sozialen Zusammenhalt im Land bedroht, das sind 14 Punkte mehr als im Frühjahr.
Das unterstreicht auch der »Baden-Württemberg Report« im Auftrag eines Zusammenschlusses der privaten Radiosender im Land (Privat.Radio). Demnach beschäftigen 85 Prozent der Menschen die steigenden Lebenshaltungskosten und 80 Prozent die Energieversorgung. Mehr als die Hälfte der Befragten hat Sorge, dass es zu sozialen Unruhen komme könnte. Unter den Frauen seien dies sogar zwei Drittel.
Die Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) rutscht im Ansehen stark ab: Nur noch 44 Prozent sind laut SWR-Umfrage zufrieden, im April waren es noch 57 Prozent. Das sei das bisher schlechteste Ergebnis für die grün-schwarze Koalition. Unter 50 Prozent lag dieser Wert zuletzt 2011 unter Grün-Rot.
In der Sonntagsfrage profitiert vor allem die AfD. Sie legt 4 Punkte zu und käme auf 13 Prozent, wenn an diesem Sonntag Landtagswahl wäre. Die Grünen wären mit 27 Prozent weiter stärkste Kraft, das ist ein Minus von einem Punkt. Allerdings sind die Grünen weit entfernt von ihrem Resultat bei der Wahl im März 2021, bei der sie 32,6 Prozent erreicht hatten. Die CDU bleibt bei 26 Prozent. Die SPD verharrt bei 15 Prozent. Die FDP verliert 2 Punkte und landet mit 9 Prozent hinter der AfD.
Trotz aller Kritik an der Regierung wünschen sich die meisten, dass Kretschmann bis zum Ende der Wahlperiode im Amt bleibt. 55 Prozent möchten, dass der Grüne durchzieht, 39 Prozent sind für einen vorzeitigen Wechsel. Kretschmann, der mit 74 Jahren älteste Ministerpräsident in Deutschland, hat angekündigt, nicht nochmal für das Amt zu kandidieren. Bei den Grünen wird hinter den Kulissen überlegt, ob ein Nachfolger Kretschmann schon ein stückweit vor der Wahl ersetzen und somit vom Amtsbonus profitieren könnte. Als heißer Kandidat wird Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gehandelt.
Die Unzufriedenheit mit der Politik geht aber auch an Kretschmann nicht spurlos vorbei. Mit seiner Arbeit sind nur noch 54 Prozent zufrieden. Das ist ein Minus von 6 Punkten im Vergleich zum April und der niedrigste Wert seit er das Amt übernommen hat. Einen Absturz muss Innenminister und CDU-Chef Thomas Strobl verkraften. Mit ihm sind nur noch 24 Prozent zufrieden, das ist Minus von 9 Punkten. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kommt auf 18 Prozent (minus 2) und sein FDP-Kollege Hans-Ulrich Rülke liegt bei 13 Prozent (minus 4). Bernd Gögel von der AfD wird unverändert von 6 Prozent positiv beurteilt.
Kretschmann sagte zu den Umfragen: »Uns ist bewusst, dass viele Bürgerinnen und Bürger auch ganz persönlich besorgt sind und die Verunsicherung wächst.« Er fügte hinzu: »Deshalb arbeite ich tagtäglich mit aller Kraft daran, die Folgen des russischen Angriffskriegs für die Bürgerinnen und Bürger und unseren mittelständischen Unternehmen abzumildern.« Zuletzt gab es allerdings Kritik etwa aus der Wirtschaft daran, dass das Land es ablehnt, rasch ein eigenes Entlastungspaket für Baden-Württemberg zu schnüren. Die Regierung argumentiert, man müsse erst abwarten, was der Bund genau wolle.
Nach Meinung von AfD-Fraktionschef Bernd Gögel freute sich über das Plus für seine Partei. Zudem zeige die Umfrage, »dass der grün-schwarzen Landesregierung nicht mehr zugetraut wird, unser Land aus der Krise zu führen.« Er fügte hinzu: »Die FDP hat die verdiente Quittung für ihre unmögliche Politik in Berlin erhalten.«
Ergebnisse der aktuellen Befragung
Mitteilung zur aktuellen Befragung
Zusammenschluss der Privatradios
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