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Kretschmann: Längere Arbeitszeit für Lehrkräfte ins Gespräch

Wegen der wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs ist zuletzt viel von Zumutungen die Rede gewesen. Die Menschen werden sich einschränken müssen - da ist sich Regierungschef Kretschmann sicher. Und bringt gleich noch einen überraschenden Vorschlag ein.

Winfried Kretschmann
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Christoph Schmidt
Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Foto: Christoph Schmidt

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat längere Arbeitszeiten für Lehrkräfte ins Gespräch gebracht, um eine bessere Bildung im Land zu gewährleisten. »Vielleicht müssen wir auch mehr arbeiten«, gab Kretschmann am Montagabend bei einer Podiumsdiskussion der »Stuttgarter Zeitung« zu bedenken. Zum Beispiel seien sehr viele Lehrkräfte Frauen und viele von ihnen arbeiteten in Teilzeit. »Wenn die alle eine Stunde mehr arbeiten würden, eine Stunde, hätte ich 1000 Lehrer mehr, die ich dringend brauche«, erklärte der Grünen-Politiker. »Auch das wird vielleicht ein Thema sein.«

Die Schule habe eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Fachkräftemangel, der schon jetzt ein großes Problem in Baden-Württemberg sei. »Da müssen wir mehr reinstecken.« Lehrkräfte haben je nach Schulart eine etwas unterschiedliche Wochenarbeitszeit. Pädagogen in Grundschulen arbeiten 28 Stunden in der Woche, in Haupt- und Realschulen 27 Stunden, in Gymnasien 25 Stunden. Vor allem in Grundschulen ist der Anteil der Lehrerinnen sehr groß. Im Südwesten gibt es gut 110.000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen.

GEW kritisiert Kretschmanns Vorstoß als »total daneben«

Monika Stein, Landeschefin der Bildungsgewerkschaft GEW, zeigte sich empört über Kretschmanns Vorschlag. »Das ist total daneben«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. »Die Teilzeit-Lehrkräfte arbeiten nicht deshalb weniger, weil es Spaß macht, weniger Geld zu verdienen, sondern weil es für sie notwendig ist Teilzeit zu arbeiten, damit sie ihren Beruf gut ausüben können.« Es gehe dabei auch darum, Familie und Job unter einen Hut zu bringen.

Nach zwei Jahren Pandemie mit übermäßiger Belastung seien viele Lehrerinnen und Lehrer sowie Schulleitungen mit ihren Kräften sowieso schon am Ende, sagte die Gewerkschafterin. Jetzt kämen noch Kinder und Jugendliche dazu, die aus der Ukraine geflüchtet sind. »Wenn ich die Belastung weiter erhöhe, werden deutlich mehr Lehrkräfte ausfallen«, warnte Stein. Immerhin habe der Ministerpräsident aber einen Erkenntnisgewinn gehabt. »Herzlichen Glückwunsch, Herr Kretschmann, dass Sie jetzt nach elf Jahren Regierungszeit merken, dass Sie einen Lehrkräftemangel haben.« Den habe die GEW immer vorausgesagt.

Kretschmann hält »Wohlstandseinbußen« für akzeptabel

Bei der Podiumsdiskussion der »Stuttgarter Zeitung« zeigte sich Kretschmann überzeugt, dass der Staat nicht alle wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs für deutsche Verbraucher abfedern kann. »Es wird nicht ohne Einschränkungen gehen.« Vor zehn Jahren sei der Wohlstand deutlich niedriger gewesen als heute und trotzdem hätten die Menschen damals nicht »auf den Bäumen« gelebt. »Man muss jetzt nicht so tun, als seien materielle Wohlstandseinbußen gleich irgendetwas, das ans Wohlbefinden geht.« Kretschmann ergänzte mit Blick auf höhere Heiz- und Benzinkosten: »Für Leute, die das wirklich schwer trifft, weil sie eh geringe Einkommen haben, dafür haben wir einen ausgebauten Sozialstaat, der da tätig werden muss.«

Der Grüne sprach sich gegen »Gießkannenwohltaten« aus. »Jetzt das Benzin für alle billiger zu machen, das kann nicht die Lösung sein«, sagte Kretschmann. »Damit kann ich mich wirklich nicht befreunden.« Stattdessen müsse man zum Beispiel in die Energiewende investieren, um sich unabhängiger von russischem Gas zu machen.

Windkraftanlagen in zwei Jahren realisieren

Beim Ausbau der Windkraft will Kretschmann noch stärker aufs Tempo drücken als bisher. Der Zeitraum von der Planung bis zum Bau eines Windparks müsse auf zwei Jahre verkürzt werden. »Wir sind einfach zu langsam. Wenn wir nicht schneller werden, wird die Energiewende schon aus Zeitgründen scheitern«, warnte der Regierungschef. Bisher dauert die Realisierung eines Windparks etwa sechs bis sieben Jahre.

Kretschmann hatte bislang das Ziel ausgegeben, den Zeitraum mindestens zu halbieren. Der Koalitionspartner CDU ist noch ambitionierter und will dafür sorgen, dass Windparks innerhalb eines Jahres realisiert werden können. EnBW-Vorstand Georg Stamatelopoulos zeigte sich weniger optimistisch. »Es ist realistisch zu sagen, dass wir das halbieren können.« Es sei denkbar, einen Windpark nach drei Jahren in Betrieb nehmen zu können, sagte er bei der Diskussion.

Kretschmann will bei Ausreden »auf Durchzug« stellen

Der Ministerpräsident sagte, der Druck, schnell auf erneuerbare Energien umzusteigen, habe sich durch den Ukraine-Krieg nochmal verdoppelt. »Jede Ausrede wird auf Durchzug gestellt.« Kretschmann hofft, dass die Voraussetzungen für einen schnelleren Ausbau bis Sommer geschaffen seien. Er wolle, »dass das flutscht«. Der Südwesten hat auch nach zehn Jahren grüner Regierung noch großen Rückstand beim Ausbau der Windkraft. Im ersten Quartal wurden drei Windkraftanlagen gebaut, nötig seien aber 100 im Jahr, meinte Kretschmann.

Er forderte auch die Europäische Union auf, die sogenannte Südquote beim Ausbau der Windenergie in Deutschland zu akzeptieren. Die EU dürfe da nicht mit einem »Binnenmarktradikalismus« unterwegs sein und jegliche Flexibilität in den Mitgliedsländern unterdrücken. Der Bund will mit der Quote den Bau neuer Windräder auch in den südlichen Bundesländern wieder attraktiver machen.

© dpa-infocom, dpa:220425-99-41898/4