Gut ein halbes Jahr nach dem Messerangriff auf ein vierjähriges Mädchen in einem Supermarkt hat das Landgericht Ravensburg die dauerhafte Unterbringung eines 35-Jährigen in der Psychiatrie angeordnet. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Mann im April das Mädchen lebensgefährlich verletzt hat. Die Schwurgerichtskammer ging bei dem Vorfall in Wangen im Allgäu von versuchtem Mord aus. Aufgrund seiner Krankheit sei der Beschuldigte mit syrischer und niederländischer Staatsbürgerschaft schuldunfähig. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Mann hatte den Angriff auf das Mädchen zu Prozessbeginn Anfang Oktober gestanden. Er habe auf eine »göttliche Eingebung« hin gehandelt, hatte er über eine Übersetzerin erklären lassen. »Ich habe eine Hand gesehen und ich hatte diese Eingebung, wie groß die Person sein soll.« Auch zu Prozessende erklärte er wieder: »Das, was passiert ist, war eine Eingebung von Gott.« Das Motiv sei schwer auszuhalten, sagte der Richter.
Ein Sachverständiger hatte bei dem Mann, der vor Jahren als Geflüchteter nach Europa gekommen war, eine paranoide Schizophrenie diagnostiziert. Neben der Staatsanwaltschaft und der Nebenklage sprach sich auch die Verteidigung für die dauerhafte Unterbringung des Mannes in einer Klinik aus. Das Urteil wurde von allen bei der Sitzung akzeptiert.
Laut den Ermittlungen war es ein unvermittelter Angriff mit einem schwarzen Küchenmesser. Eine Not-Operation hatte dem Mädchen das Leben gerettet. Täter und Opfer kannten sich nicht. Die Vierjährige war mit ihrer Mutter in dem Supermarkt gewesen, die unter Tränen ausgesagt hatte. Der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der Mann war den Ermittlern zufolge polizeibekannt.
Fall schwer zu ertragen
Der Sachverhalt sei klar, der Täter sei psychisch schwer krank und das Geschehen sei wohl nicht mit rationalen Maßstäben zu messen, sagte der Vorsitzende Richter. Doch auf der anderen Seite habe dieser Fall sehr viele Facetten, die schwer auszuhalten seien. Auch für Berufsrichter, die seit Jahren in einer Schwurgerichtskammer tätig seien und sich regelmäßig mit den schlimmsten Ereignissen beschäftigten, die man sich vorstellen könne.
»Selbst für uns ist dies ein absolut außergewöhnlicher Fall. Und auch ein Richter muss nicht jede Emotion über Bord werfen.« In diesem Fall koste es viel Kraft, objektiv, sachlich und ruhig zu bleiben. »Die Vorstellung, ich gehe mit meinem vierjährigen Kindergartenkind nichtsahnend in einen Supermarkt, um schnell etwas zu erledigen und kann dann nur das Leben meines Kindes dadurch retten, das ich Geistesgegenwart beweise, schnell handle und dann stundenlang nicht weiß, ob es gereicht hat - das ist der Alptraum eines jeden Elternteils.« Gleichzeitig warnte der Richter davor, den Fall für politische Zwecke zu instrumentalisieren. Eine psychische Erkrankung könne jeden treffen.
Helfer entwaffnet Mann
Die Mutter hatte ihre Tochter nach dem Messerangriff selbst in die Notaufnahme gebracht. Auf dem Weg zum Parkplatz hatte sie noch eine Kassiererin über den Angriff informiert. Mindestens drei Stiche hatte die Vierjährige laut Gericht in den Bauchraum bekommen, bis sie zusammensackte. »Mami« hätte ihre Tochter nur geschrien und gewimmert, hatte die Mutter gesagt.
Sie habe noch versucht, dem Mann das Messer aus der Hand zu reißen. Ein anderer Kunde sei ihr zu Hilfe gekommen und habe den Täter entwaffnet. Der Tatverdächtige wurde kurz nach dem Angriff festgenommen. Nach einem Unterbringungsbefehl war der Mann in ein psychiatrisches Krankenhaus gebracht worden. Dort soll er auf unbestimmte Zeit bleiben.
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