STUTTGART. Dieses Schäferstündchen hat der Mann offenbar genossen. Als Erinnerung hat er sein benutztes Kondom über einen Zweig gestreift. Da hängt es nun, auf Augenhöhe, an einem Fußweg im Degerlocher Wald. Es ist mal wieder heiß hergegangen am Wochenende unterm Fernsehturm.
Seit Jahren herrscht reger Verkehr im Naherholungsgebiet zwischen Guts-Muths- und Georgiiweg. Das Gebiet ist vor allem in der Schwulenszene als Treffpunkt für schnellen Sex bekannt. Je nach Wetter und Tag können es 50 bis 100 Männer sein, die sich nachts nach kurzem Augenkontakt ins Unterholz folgen, hieß es vor einigen Jahren aus der Szene.
Bekannter Treffpunkt
Das Ganze hat massive Folgen. Der Waldboden ist übersät mit Kondomen, mit Taschen- und Feuchttüchern und jeder Menge anderem Dreck. Vor allem hinter großen Bäumen und an einer Hütte, die von städtischen Ämtern genutzt wird, sammelt sich der Abfall. Viele Menschen stört das. 2018 gab es eine öffentlichkeitswirksame Putzete der SPD queer, der Regenbogen-Community in der Partei. Mitglieder zogen mit Zangen und Handschuhen durch den Wald, unter anderem, um die eigene Szene aufzurütteln. Binnen zehn Minuten förderten sie damals 30 Liter Sexmüll zutage.
Gefruchtet hat die Aktion nicht. Die Zustände sind wieder mindestens so abstoßend wie vor vier Jahren. Das Garten-, Friedhofs- und Forstamt erreichen regelmäßig deswegen Klagen, erklärt Jacqueline Albinus, eine Sprecherin der Stadtverwaltung. »Die Beschwerden sind für das flächenverwaltende Amt auch nachvollziehbar.« Mehr geworden seien sie indes nicht. Martin Buchau, dem stellvertretenden Bezirksvorsteher von Degerloch, ist zumindest aktuell keine Häufung bekannt.
Bereits Ende 2016 hatte Laura Halding-Hoppenheit, Stadträtin (Die Linke) und Ikone der queeren Community, zu mehr Verantwortung aufgerufen. »Uns gefällt das nicht, das fällt auf uns zurück«, sagte sie dieser Tage am Telefon.
Mülleimer und Putzkolonne
Auf der Waldau vergnügten sich längst nicht nur Schwule, der Treffpunkt habe jedoch nach dem Fall der Coronarestriktionen an Popularität gewonnen. »Man muss was machen, das ist ein Horror«, sagt sie über die unhygienischen Zustände. Die Sauberkeit sei schließlich die Visitenkarte einer Stadt. »Ich bin für sexuelle Freiheit, aber das finde ich blöd.«
Die Stadt hat eine externe Firma mit der Reinigung beauftragt. »Es werden alle zwei Wochen unter anderem gebrauchte Kondome, Papiertaschentücher, zurückgebliebene Unterwäsche und gebrauchte Heroinspritzen eingesammelt«, sagt Jacqueline Albinus. Kontrollen des städtischen Vollzugsdienstes gebe es indes nicht. »Das zuständige Revier kontrolliert im Rahmen der personellen Ressourcen unregelmäßig«, sagt sie. Formal rechtlich sei es nicht verboten, sich im Wald für sexuelle Treffen zu verabreden, untersagt seien lediglich die Prostitution, das Hinterlassen der Abfälle und gegebenenfalls die öffentliche Zurschaustellung sexueller Handlungen. Laura Halding-Hoppenheit verspricht: »Ich werde unsere Bewegung animieren.« Auch werde sie sich als Stadträtin an die Verwaltung wenden. Ein Antrag, mehr Mülleimer aufzustellen, habe bereits mehrere Jahre auf dem Buckel, getan habe sich nichts. Dem wolle sie ebenso nachgehen wie der Frage, ob man nicht sonntagvormittags mehr Putzkolonnen einsetzen könne. Ihr schwebt eine »pragmatische, schnelle Lösung ohne Papierbürokratie« vor. (GEA)