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»Keinen Bock auf Arbeit morgen?« - Kritik an Werbekampagne

Aufmerksamkeit hat das Kultusministerium mit einer neuen Kampagne für den Lehrerberuf auf jeden Fall erzeugt. Am Stuttgarter Flughafen wirbt allerdings auch ein Plakat für den Job, das Lehrer, Politiker und Experten so gar nicht lustig finden.

Werbeplakat für den Beruf des Lehrers am Flughafen Stuttgart
Ein Werbeplakat hängt am Stuttgarter Flughafen. Foto: Christoph Schmidt/DPA
Ein Werbeplakat hängt am Stuttgarter Flughafen.
Foto: Christoph Schmidt/DPA

»Beleidigung für alle Lehrerinnen und Lehrer«, »nach Strich und Faden verhöhnt«, »niveaulos« und »skandalös« - mit einem Werbeplakat für den Lehrerberuf hat das Kultusministerium den Zorn von Lehrerverbänden und der Opposition auf sich gezogen.

Unter dem Slogan »HURRAAA!« heißt es bei der Werbekampagne vor allem für Quereinsteiger eigentlich: »Lust auf Veränderung? Dann werde Lehrer*in«. Auf einem Großplakat am Stuttgarter Flughafen steht allerdings neben dem auffälligen »HURRAAA!«: »Gelandet und gar keinen Bock auf Arbeit morgen? Mach was dir Spaß macht und werde Lehrer*in.« Samt Verweis auf die Internetseite zum Bewerben - »lehrer-in-bw.de« - sowie Logos des Ministeriums und der allgemeinen »The Länd«-Kampagne.

Lehrerverbände finden das überhaupt nicht lustig und reagierten mit teils harscher Kritik. »Man wusste vor dieser Kampagne nicht, wie viel Blödheit auf ein einziges Plakat passt«, teilte Karin Broszat, Vorsitzende des Realschullehrerverbands mit. Der Vorsitzende des Verbands Bildung und Erziehung (VBE), Gerhard Brand, sagte: »Das Plakat ist eine Beleidigung für alle Lehrerinnen und Lehrer im Land. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Lehrkräfte, die in drei Jahren Corona-Pandemie bis zur Erschöpfung gearbeitet haben.« Das Niveau der Kampagne sei unsäglich. »Dies ist eine Unverfrorenheit, die uns schlicht sprachlos macht«, sagte Brand.

»Die Lehrkräfte, die trotz massiver Belastungen allwöchentlich mit Nacht- und Sonntagsarbeit ihr Bestes gaben, fühlen sich durch diese Kampagne nach Strich und Faden verhöhnt«, kritisierte der Vorsitzende des Philologenverbands Ralf Scholl. Statt Geld für provokative Werbung auszugeben, solle das Kultusministerium lieber die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte verbessern. »Dann würde der Lehrerberuf auch wieder interessant genug für wirklich motivierte Studienanfänger«, so Scholl.

Für grundsätzlich richtig hält die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) die Kampagne des Landes. Es sei schade, aber auch nachvollziehbar, dass etliche Lehrkräfte die Kampagne in den falschen Hals bekommen hätten, sagte die Landesvorsitzende Monika Stein. Um für den Beruf zu werben, regt die Gewerkschaft an, auch Referendarinnen und Referendare über die Sommerferien zu bezahlen oder die Besoldung von Grund- und Hauptschullehrern anzuheben.

Das Kultusministerium verteidigte die Kampagne. Diese richte sich ausdrücklich an eine Zielgruppe, die derzeit noch nicht als Lehrerin oder Lehrer arbeite - und funktioniere. »Bereits nach der ersten Woche hatten wir über die Landingpage der Kampagne 8000 Weiterleitungen auf unsere Webseite zur Lehrkräfteeinstellung«, sagte eine Sprecher des Ministeriums. Zudem sei ein deutlicher Anstieg bei den Anmeldungen auf einem Portal für Vertretungslehrkräfte zu beobachten. Von Mitte Juli bis Anfang August hätten sich dort 370 Bewerberinnen und Bewerber registriert. Im Vorjahreszeitraum seien es etwa 100 gewesen.

Die Kritik der Verbände, das Land beleidige mit der Kampagne Lehrkräfte, wies der Sprecher zurück: »Wir wissen um die enormen Leistungen und den täglichen Einsatz unserer Lehrkräfte. Auf die Idee, dass Lehrkräfte faul seien, kommt hier überhaupt niemand.« Man wolle einfach mehr Lehrkräfte gewinnen und sei sich da auch mit den Verbänden einig. »Und dafür ist die Kampagne ein Mittel«, sagte der Sprecher.

Unterstützung erhält das Ministerium von den Schülerinnen und Schülern im Land. Der Spruch auf dem Plakat könne leicht falsch interpretiert werden, sagte Berat Gürbüz, Vorsitzender des Landesschülerbeirats. »Doch bei genauerem Hinsehen wird der wahre Zweck der Kampagne erkennbar: Lehrkräfte sollen keinesfalls lächerlich gemacht werden, sondern vielmehr sollen andere dazu motiviert werden, sich für den Lehrberuf zu interessieren.« Der Schülerbeirat sehe keine Grundlage, die gesamte Kampagne als Skandal zu deklarieren. Das sei nicht fair. Alle Beteiligten sollten lieber gemeinsam nach Lösungen suchen, um den Lehrkräftebedarf langfristig und zielgerichtet zu decken.

Der SPD-Bildungsexperte Stefan Fulst-Blei forderte von Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) eine Entschuldigung bei den Lehrerinnen und Lehrern im Land. Die Kampagne sei ein »verantwortungsloses Spiel mit Vorurteilen«. Das sieht auch der bildungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion so. Er warf dem Kultusministerium Arbeitsverweigerung vor: »Nirgendwo erkenne ich kraftvolles Anpacken der aktuellen Probleme.« Der AfD-Abgeordnete Alfred Bamberger forderte, die Kampagne sofort zu beenden. Eine Überarbeitung der Kampagne hält auch der CDU-Abgeordnete Andreas Sturm für notwendig. Die Kampagne erwecke den Eindruck, »als könne jeder, der keine Lust auf Arbeit hat, Lehrkraft werden.«

Für »gründlich missglückt« hält auch der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider die neue Werbekampagne. Es sei schon richtig, dass das Ziel einer Werbekampagne Aufmerksamkeit sei. »Wenn ich die Aufmerksamkeit gewonnen habe, muss aber eine Botschaft folgen. Und diese Botschaft ist gar nicht gut«, sagte der Professor der Universität Hohenheim der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart.

Es gebe in Teilen der Bevölkerung noch immer den Eindruck, dass Lehrerinnen und Lehrer ständig Urlaub hätten. »Das wird durch die Kampagne verstärkt - und das schadet der Reputation des Absenders und des Berufs«, sagte Brettschneider. »Das war keine gute Idee.«

Informationen zur Kampagne

© dpa-infocom, dpa:230802-99-660362/4