Vor Beginn des Katholikentags in Stuttgart an diesem Mittwoch hat die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, vor einer Vernachlässigung der Entwicklungspolitik gewarnt. »Wir fordern, den entwicklungspolitischen Etat gemäß dem Koalitionsvertrag an die Verteidigungsausgaben zu koppeln und nicht etwa zu kürzen«, sagte Stetter-Karp der Deutschen Presse-Agentur. »Wie dringend das ist, zeigen die Erschütterungen der Nahrungsmittelmärkte und die bedrückenden Nachrichten aus Afrika.«
Gerade für Christen stelle der russische Angriff auf die Ukraine eine besondere Herausforderung dar, sagte Stetter-Karp. Prinzipiell seien Christen in der Nachfolge von Jesus der Gewaltfreiheit und dem Frieden verpflichtet. »Gleichzeitig können wir seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges den Ukrainern nicht ihr Recht auf einen souveränen Staat, auf ihre Unversehrtheit und ein Leben in Freiheit absprechen. Das führt in der Friedensethik zu massiven Verunsicherungen.«
Das ZdK ist Veranstalter des Katholikentags, der am Mittwochabend (18.00 Uhr) mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet wird. Angesichts des Ukraine-Kriegs soll die Auftaktveranstaltung den Charakter einer Friedenskundgebung erhalten. Am Freitag ist eine weitere Kundgebung in Solidarität mit den Menschen in der Ukraine geplant, und am Samstag diskutieren der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber (CSU), und der Politikwissenschaftler und Militärexperte Carlo Masala über »Putins Angriffskrieg und die Folgen«.
Der zehn Millionen Euro teure Katholikentag umfasst beinahe 1500 Veranstaltungen, darunter Gottesdienste, Podien und Workshops. Gäste sind unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), aber auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer und Moderator Eckart von Hirschhausen.
In Stuttgart wird nur weniger als ein Drittel der Teilnehmerzahl früherer Katholikentage erwartet. Zum letzten Katholikentag vor vier Jahren in Münster kamen 90.000 Menschen, jetzt wird mit 20.000 bis 30.000 gerechnet, hauptsächlich aufgrund der Corona-Pandemie. Aber auch der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche und die allgemeine Entfremdung vieler Gläubiger von der Kirche könnten eine Rolle spielen. Umfragen zufolge genießt die katholische Kirche nur noch geringes Ansehen in der Bevölkerung.
Zusammen mit der Deutschen Bischofskonferenz hat das ZdK einen Reformprozess in Gang gebracht, den Synodalen Weg. Im Zuge dieses Prozesses soll zum Beispiel die Segnung homosexueller Paare legitimiert werden. »Der Synodale Weg gehört unverzichtbar zu den wichtigsten Themen des Katholikentags«, sagte Stetter-Karp. »Es wäre fatal, würden wir uns den innerkirchlich umstrittenen Reformfragen nicht stellen. Und wir wissen, dass die Zeit drängt.«
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