STUTTGART. Zu wenig, zu spät, alter Wein in neuen Schläuchen: Die Opposition hat das Sicherheitspaket der grün-schwarzen Landesregierung heftig kritisiert. Die Landesregierung liste in dem Papier fast ausschließlich Punkte auf, die überhaupt nicht neu seien, monierte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch im Landtag. »Was sollen Polizistinnen und Polizisten denken, die dieses Papier lesen?« FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sprach von einem Etikettenschwindel und kritisierte, dass das Paket zu spät komme - unter anderem, weil der Haushalt erst vor einer Woche festgezurrt wurde. Und AfD-Fraktionschef Anton Baron sprach von Pseudomaßnahmen, mit denen das Land Aktionismus vortäusche.
Was die Regierung genau plant
Nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag von Solingen und der tödlichen Messerattacke von Mannheim will die Landesregierung die Zügel anziehen im Kampf gegen islamistischen Terror und gegen irreguläre Migration. Zuvor hatten bereits der Bund und das Land Nordrhein-Westfalen ähnliche Maßnahmen beschlossen. Mehr als 30 Punkte stehen in dem grün-schwarzen Papier, das in die Bereiche Sicherheit, irreguläre Migration und Prävention aufgeteilt ist.
So soll etwa in Baden-Württemberg ein neues Staatsschutz- und Anti-Terrorismuszentrum unter dem Dach des Landeskriminalamts entstehen. Die konkrete Ausgestaltung ist noch unklar, Vorbild hierfür soll das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum« im Bund sein. Der Sonderstab »Gefährliche Ausländer« soll gestärkt werden, um kriminelle Ausländer schneller abschieben zu können. Künstliche Intelligenz (KI) soll den Ermittlern künftig im Kampf gegen den Terrorismus mehr helfen - etwa bei der Auswertung von Millionen Bild- und Videodateien.
Großer Wurf oder Mogelpackung?
Die Regierung listet in dem Papier aber auch einige Punkte und Projekte auf, die bereits längst implementiert sind, etwa die Förderung von Integrationsmanagern. Andere Dinge sollen lediglich verstärkt oder geprüft werden. Außerdem sind Dinge enthalten, die längst beschlossen Sache und im Doppelhaushalt hinterlegt sind. Zum Größenverhältnis: Für die innere Sicherheit hat Grün-Schwarz im Doppelhaushalt für 2025 und 2026 bereits 400 Millionen Euro verplant. Nun kommen mit den neuen Maßnahmen rund 18 Millionen Euro jährlich dazu.
Zudem wurde der Haushalt erst vor wenigen Tagen festgezurrt, da war noch von beinharten Verhandlungen und ausgepressten Zitronen die Rede. Nun werden weitere Millionen verplant. »Niemand weiß, woher das Geld kommen soll«, sagte Rülke. Keine der Maßnahmen hätte zudem die Taten von Mannheim und Solingen verhindern können. »Am sichersten wäre es, wenn Personen wie der Messerstecher von Solingen erst gar nicht in unser Land gelangen würden«, so der FDP-Fraktionschef. Er pochte erneut auf Zurückweisungen an Grenze. Das Paket diene nur dazu, die Öffentlichkeit zu beeindrucken, findet Stoch.
Die Opposition habe in keinem ernsthaften, inhaltlichen Punkt Kritik vorgetragen, wehrte sich Innenminister Thomas Strobl (CDU). »Allenfalls ist gesagt worden: zu spät, zu wenig.« Aber wenn die Opposition zu spät und zu wenig sage, dann sage sie eigentlich, dass die Regierung alles richtig mache. »Deswegen ist das im Grunde genommen ein Kompliment.«
Verbindung von Migration und Sicherheit
Das Sicherheitspaket behandelt jedenfalls das Problem der irregulären Migration ebenso wie das Problem der Kriminalität. Ministerpräsident Kretschmann warnte im Landtag dennoch vor einer Vermengung von Terrorismus und Migration. »Wir dürfen nicht blindwütig um ums schlagen und alles in einen Topf werfen«, sagte der Grünen-Politiker bei seiner Regierungserklärung. Der gewaltbereite Islamismus werde bekämpft, nicht der Islam. Diese Unterscheidung sei eine Kernfrage der Integration von Muslimen und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. »Der gewaltbereite Islamismus pervertiert den Islam.«
Die Migrationsfrage kann das Land nach Kretschmanns Worten spalten. »Sie hat die Kraft, unser Land zu spalten, sie hat die Kraft, ganz Europa zu spalten, und das dürfen wir nicht zulassen«, sagte er. Alt-Bundespräsident Joachim Gauck habe auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass unser Herz weit sei, aber die Möglichkeiten endlich. Die Kommunen stünden am Rand ihrer Leistungsfähigkeit, so der Regierungschef. »Diese Grenzen kann man nicht mit dem lapidaren Hinweis abtun, das Thema Migration werde nur hochgeschrieben, um von anderen Problemen abzulenken.« Wer das behaupte, verkenne, wie groß die Herausforderung tatsächlich sei.
Noch viel schlimmer seien allerdings die entgegengesetzte Position, diejenigen, die in der Migration grundsätzlich eine Gefahr für unser Land sähen und jedes Problem im Land auf die Einwanderung zurückführten, sagte Kretschmann - auch in Richtung der AfD. (dpa)