STUTTGART. Das Wort ist viel zu sperrig. Es heißt heute nicht mehr »Junggesell(inn)enabschied«, sondern »JGA«. Und diese JGAs haben es in sich. Den Bauchladen für die Braut, die damit unsinnige Dinge an Mann oder Frau bringen muss, gibt es immer noch – doch neue Alternativen entstehen. Der Trend geht zum ganztägigen Programm mit der Mädels- oder Freundesclique. Wegen der Corona-Pandemie hatte die Nachfrage zwangsläufig eine Delle, aber sie zieht jetzt wieder deutlich an. In Stuttgart sogar noch mehr als in anderen Städten, wie Nicolas Papke sagt.
Er ist Gründer und Chef des Eventdienstleisters Mister Neo, der bundesweit JGAs plant und mit lokalen Kooperationspartnern durchführt. Angefangen hat alles vor rund sechs Jahren mit »Bubble Soccer«, einer Art Fußball, bei dem die Spieler in riesigen durchsichtigen Plastikkugeln stecken – sich gegenseitig anzurempeln gehört zum Spaß dazu. In seiner Heimatstadt Halle an der Saale ist Papke gestartet und berichtet von einer gewaltigen Nachfrage, gerade auch für Junggesellen-Events. Inzwischen betreibt Mister Neo auch in Stuttgart eine Anlage – auf der Homepage können 90 Minuten mit »Veranstaltungskoordinator« gebucht werden. Ebenfalls im Angebot: City Escape, Cocktailkurs, Schlag den Junggesellen . . .
»Gemeinschaftserlebnis, das Spaß macht, aber auch inhaltlich ernsthaft ist«
So weit wie in Großbritannien, wo Agenturen komplett durchgeplante Wochenenden organisieren, sei man in Deutschland noch nicht, meint Papke. Auch das Budget sei hierzulande noch deutlich kleiner. Aber der Wunsch werde immer stärker, den Abschied vom Singledasein als Gruppenerlebnis zu gestalten, bei dem sich jede und jeder wohlfühle.
Wichtig sei vielen Kunden neben der Qualität des Programms auch die persönliche Note. Und wer bezahlt? »Das teilt sich die Gruppe«, antwortet der Chef von Mister Neo. Dafür gebe es regelrechte Crowdfunding-Aktionen vorab bei der späteren Hochzeitsgesellschaft. Nach dem Motto: Ich mäh dir den Rasen und du spendest. Im Schnitt nehmen bei Mister Neo elf Personen an einer Veranstaltung teil. Unter den Teilnehmern seien 55 bis 60 Prozent Männer, so Papke. Das liege daran, dass das Unternehmen ursprünglich aus der Funsport-Branche komme. Übrigens: Die Outdoor-Schnitzeljagd komme bei den Frauen besonders gut an.
Ein besonderes Erlebnis für die künftige Braut und ihre Clique bietet die Stuttgarter Firma Kreativkreisel. Vor sechs Jahren haben die beiden Künstlerinnen Martina Rodriguez Romero und Claudia Merk in ihren Räumen in der Heusteigstraße damit angefangen, Kreativworkshops für den JGA anzubieten, zum Beispiel Aktzeichnen. Ab sieben Teilnehmerinnen, mit Materialien, Fingerfood und auf Wunsch auch mit Catering. »Unser Anspruch ist es, ein Gemeinschaftserlebnis zu bieten, das Spaß macht, aber auch inhaltlich ernsthaft ist«, fasst Martina Rodriguez zusammen.
»Man möchte es kultivierter haben und gibt mehr aus für die, die es einem wert sind«
Im Schnitt hat der Kreativkreisel ein JGA-Event im Monat, das direkt oder über verschiedene Portale buchbar ist. Oft sind laut Rodriguez Schwangere in den Runden dabei. »Man heiratet heute später. Da wird auch der Junggesellinnenabschied besser geplant. Man möchte es kultivierter haben und gibt mehr aus für die, die es einem wert sind. Nach dem Motto: Wir zehren davon, dass wir etwas zusammen unternommen haben.«
Micha Kaiser vom Holzmaler spricht von der »gepflegten Alternative«. In seiner Speak-Easy-Bar in der Altstadt können Cocktailkurse für den JGA gebucht werden, am Nachmittag, bevor der Laden öffnet. Das Angebot werde sehr gut angenommen, sagt Kaiser, obwohl man es gar nicht bewerbe. Viele Gruppen gingen danach gemeinsam essen, manche kämen später wieder, um diesmal vor der Bar Platz zu nehmen.
Margit Günther von der Blumenscheuer in Möhringen hat das Blumenkranzbinden beim JGA erst seit diesem Sommer im Angebot. Meist werde der zwei- bis dreistündige Kurs als ein Baustein eines Tagesprogramms gebucht, erzählt sie, etwa in Verbindung mit einem Fotoshooting oder einem anschließenden Picknick. Sie würde das Blumenbinden gern häufiger anbieten, da es aber außerhalb der Öffnungszeiten stattfinden müsse, seien die Kapazitäten beschränkt.
Die jungen Frauen hätten »saumäßig viel Spaß«, berichtet die Chefin der Blumenscheuer, und sie seien erstaunt, wie aufwendig ein solcher Kranz sei. Sie selbst ist ebenso begeistert: »Das ist schon was Besonderes.« Schließlich macht sie immer einen großen Bogen, wenn ihr eine künftige Braut auf der Königstraße »einen Quatsch« verkaufen will. (GEA)