LAUFFEN AM NECKAR. Am Anfang war das Dilemma. Günther Schmids Frau liebt Wassermelonen. Doch Importware aus dem Supermarkt schmeckt mehr nach Wasser als nach Melone. Und vollreife Exemplare aus dem Bioladen seien unbeschreiblich teuer und kämen trotzdem noch aus dem Ausland, seufzt der Landwirt. Deshalb setzt er nun selbst auf dickere Dinger. Seit drei Jahren baut der Kartoffelbauer auch Wassermelonen an – ausgerechnet in Lauffen am Neckar.
Wie Günther Schmids Frau geht es vielen Menschen im Sommer. Melonen begleiten Picknicks, aromatisieren Eistees und erobern Grills. Deutschland importiert laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zwischen Frühjahr und Herbst die meisten aus Spanien, im Winterhalbjahr aus Brasilien und Costa Rica. Die Steillagen um Lauffen dagegen erfreuen vor allem Viertelesschlotzer: Die Stadt liegt in der größten Rotweinlandschaft Deutschlands. Können dort auch Melonen gedeihen?
Vor 20 Jahren erstmals versucht
Schmids Eltern haben das vor 20 Jahren schon versucht – und wieder aufgegeben. Regionalprodukte waren noch nicht so angesagt wie heute. Auch der Junior hat bei seinem Melonenprojekt zu kämpfen. Im vergangenen Jahr machten sich Läuse über die Pflanzen her, in diesem kämpfte er mit Frost und Kälte – Wassermelonen mögen es am liebsten warm und sonnig. Das Wetter wirkt sich aufs Wachstum genauso wie auf die Nachfrage aus. »Wenn der Sommer schmuddelig ist, liegen Melonen wie Steine in den Regalen«, sagt Schmid. Im August beginnt normalerweise die Ernte. Heuer hätte er bis in den Oktober Früchte vom Feld holen können, aber die Mühe wäre vergebens. Melonen sind ein klassisches Saisonprodukt. Ab September laufen ihnen Kürbisse in der Kundengunst den Rang ab.
Schmid hat Glück: Er vermarktet seine Melonen über den örtlichen Discounter, der einen rührigen Betreiber habe. Denn die eigentliche Herausforderung beim Anbau von Exoten im Trollingerländle ist neben der Produktion der Absatz. Eine organisierte Vermarktung gibt es dafür nicht, sagt Manfred Büchele vom Kompetenzzentrum Obstbau Bodensee. Es braucht Verkaufsmöglichkeiten und gute Strategien – im Idealfall sind experimentierfreudige Bauern also Direktvermarkter oder beliefern andere Hofläden. Dort könnten laut Büchele Exoten auch Kundenmagneten für die übrigen Hauptprodukte sein.
Sojabohnen gibt es schon seit zehn Jahren
Nach Angaben des Landesbauernverbands bauen seit rund zehn Jahren immer mehr Betriebe im Südwesten Sojabohnen an, einzelne ziehen Kichererbsen, und Gojibeeren gibt es mittlerweile nicht nur aus China, sondern auch aus Heilbronn. Möglicherweise könnten zwischen schwäbischem Streuobst und badischen Weinreben künftig mehr Exoten wachsen. »Wegen des Klimawandels und mit steigenden Temperaturen ist zu erwarten, dass der Anbau solcher Früchte auch für den hiesigen Gartenbau und die hiesige Landwirtschaft interessanter wird«, sagt Heike Sauer von der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) in Heidelberg. Einzelne Direktvermarkter probieren sich beispielsweise am Anbau von Okra.
Die LVG selbst experimentiert auch mit Wassermelonen. Warme Gegenden wie die Rheinregion sind dafür besonders attraktiv. In Gewächshäusern ist laut Sauer in Baden-Württemberg der Anbau vieler wärmeliebender Kulturen möglich – die Gewächshäuser allerdings benötigen viel Heizenergie und müssen eventuell im Winter belichtet werden. Solange nachwachsende Rohstoffe als Energiequelle genutzt würden, sei so ein geschützter Anbau im Ländle trotzdem oft besser für die Umwelt, als wenn Gemüse mit Schiff oder Flugzeug weither kämen.
Schmids Melonenanbau im Ländle ist kostenintensiv und aufwendig: »Das ist keine Kultur, die hierhergehört. Die Pflege ist anstrengend.« Die Transparenz wiegt das für ihn auf: Beim Bauern vor Ort könnten Kunden selber sehen und kontrollieren, was auf den Äckern wie wachse. Vielen werde erst bewusst, dass ihr Obst und Gemüse aus Niedriglohnländern mit schwierigen Arbeitsbedingungen kämen, wenn es eine regionale Alternative gebe, sagt Schmid. Zudem haben die viel kürzeren Transportwege für ihn nicht nur ökologische Vorteile. Er holt seine Früchte frisch und komplett reif vom Acker. Die schmeckten viel besser als ihre Pendants, die Tausende von Kilometern in Lastwagen verbringen und nachreifen müssten, ist er überzeugt.
2016 die ersten Feigenbäume
Jochen Brust sieht das ähnlich. Der Stuttgarter Landwirt baut Beeren an. 2016 pflanzte er seine ersten Feigenbäume. Inzwischen sei seine Kundschaft verrückt nach den süßen Früchten, die vor allem im Vorderen Orient und Mittelmeerraum verbreitet sind. »Feigen vermitteln das Gefühl von Urlaub und Exotik«, sagt er – aber nur, wenn sie reif vom Baum geerntet würden und direkt zum Verbraucher gelangten. Die Exemplare im Supermarkt haben mit dem Geschmack einer richtigen Feige seiner Meinung nach nichts zu tun. Die Importware kommt meist aus der Türkei. Dort werden die Feigen unreif vom Baum geholt. Reife Feigen sind superempfindlich und nicht transportfähig – bis zur Ankunft in Deutschland wären sie Matsch.
Brust zieht seine Feigen als Sträucher statt als Bäume. Optimales Anpflanzen am jeweiligen Standort sei gerade die Kunst eines Landwirts, sagt er. So unkonventionell findet er das im mittleren Neckarraum nicht. Der Südwesten sei mit Jahresdurchschnittstemperaturen von bis zu 12 Grad klimatisch begünstigt. Neben seinen Erdbeeren, Himbeeren und Johannisbeeren bleiben die Feigen für Brust aber nur ein Nischenprodukt. (GEA)