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Hunderte »Reichsbürger« und Rechtsextremisten entwaffnet

Der Verfassungsschutz hält bewaffnete »Reichsbürger« potenziell für gefährlich, ebenso Rechtsextremisten. Sie werden regelmäßig überprüft. Mit welchem Ergebnis?

Waffen von Reichsbürgern
Beweismittel in Form von Waffen, die bei einem SEK-Einsatz in Boxberg sichergestellt wurden, liegen eingepackt in Plastikfolie auf einem Tisch im Polizeipräsidium Heilbronn. Foto: Christoph Schmidt
Beweismittel in Form von Waffen, die bei einem SEK-Einsatz in Boxberg sichergestellt wurden, liegen eingepackt in Plastikfolie auf einem Tisch im Polizeipräsidium Heilbronn.
Foto: Christoph Schmidt

Verfassungsschützer in Baden-Württemberg haben zwischen Februar 2020 und Anfang August 2022 mehr als 194.000 Anfragen von Waffenbehörden im Zusammenhang mit dem Waffenrecht beantwortet. In rund 460 Fällen erhielten »Reichsbürger«, Rechtsextremisten und andere Gruppen mit verfassungsfeindlichen Bestrebungen keine neue Waffenerlaubnis oder eine bestehende wurde entzogen, wie aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Landtagsgrünen in Stuttgart hervorgeht.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: »Unsere Sicherheitsbehörden gehen konsequent gegen «Reichsbürger» und Extremisten vor, sie bekommen keine waffenrechtlichen Erlaubnisse mehr und bereits erteilte Genehmigungen werden wo irgend möglich widerrufen.« Jede eingezogene Schusswaffe sei eine Schusswaffe weniger in der Hand eines Extremisten und damit eine Gefahr weniger.

Die sogenannte Regelanfrage beim Landesamt für Verfassungsschutz gilt seit dem Inkrafttreten des geänderten Waffengesetzes im Februar 2020. Damit soll verhindert werden, dass bestimmte Gruppen legal in den Besitz von Waffen kommen beziehungsweise diese behalten können. Die rund 150 Waffenbehörden im Land müssen beim Verfassungsschutz abfragen, ob die betreffende Person dort als Extremist bekannt ist. Dies nennt man Zuverlässigkeitsprüfung.

»Reichsbürger« und »Selbstverwalter« zweifeln die Legitimität der Bundesrepublik an. Sie weigern sich oft, Steuern zu zahlen. Zu den überregional aktiven Gruppierungen zählen Zusammenschlüsse mit Namen wie »Staatenbund Deutsches Reich« oder »Königreich Deutschland«. Der Verfassungsschutz rechnet der Szene rund 21.000 Anhänger zu.

Wie aus der Landtagsanfrage darüber hinaus hervorgeht, wurden die Verfassungsschützer und das Landeskriminalamt auch von sich aus tätig - und zwar noch vor der Änderung des dritten Waffenrechtsgesetzes. Sie hätten die Waffenbehörden in Dutzenden Fällen seit 2017 in eigener Initiative informiert. Hierbei handelte es sich zu einem Großteil wieder um »Reichsbürger« und Rechtsextremisten.

Die Verfassungsschützer schätzen die Gefahr, die etwa von bewaffneten »Reichsbürgern« und »Selbstverwaltern« ausgeht, als grundsätzlich hoch ein. Auch wenn nicht alle mit ihren Waffen Straftaten begehen, bieten ihnen extremistische Verschwörungserzählungen eine vermeintliche Legitimation zur Gegenwehr gegen die propagierten Feindbilder, wie das Innenministerium in seiner Antwort schrieb.

»Hierzu gehören Politiker, staatliche Repräsentanten oder andere Personengruppen, die als «Mitverschwörer» erachtet werden. Dies kann dazu führen, dass sich einzelne Personen oder Personengruppen dazu berufen fühlen, zur Tat zu schreiten und auch mittels Waffengewalt gegen ihre jeweiligen Feindbilder vorzugehen«, hieß es weiter.

Dasselbe gelte für bewaffnete Rechtsextremisten. In diesem Bereich kommt laut Innenministerium hinzu, dass eine vermeintliche Legitimation von Gewalt nicht nur aus Verschwörungsideologien hergeleitet werde. »Vielmehr kann die Gewaltlegitimation bei Rechtsextremisten auch auf zentralen rechtsextremistischen Einstellungsmustern beruhen, wie Rassismus oder genereller Fremdenfeindlichkeit.«

Zuletzt hatte ein Fall im Main-Tauber-Kreis für Aufsehen gesorgt: Wegen des Verdachts auf illegalen Waffenbesitz hatte die Polizei am 20. April in Boxberg ein Grundstück durchsucht, auf dem ein »Reichsbürger« um sich schoss. Der Mann feuerte mit einem vollautomatischen Gewehr mehrere dutzend Mal aus fünf verschiedenen Schusspositionen auf 14 Polizisten. Dabei wurden zwei Beamte verletzt. Am Tatort fanden die Ermittler ein ganzes Waffenarsenal.

Die Waffenbehörde überprüft alle fünf Jahre, ob eine Notwendigkeit für den Besitz von Schusswaffen noch vorliegt.

Landtagsanfrage

Bundesinnenministerium zu Waffen

© dpa-infocom, dpa:221030-99-315824/4