Fußball-Idol Horst Eckel starb als letzter der »Helden von Bern« von der Weltmeisterschaft 1954. Wird sein Erbe nur ein Jahr nach seinem Tod nun in alle Winde zerstreut? Eckels Tochter Dagmar will den Nachlass versteigern lassen, darunter WM-Trikot und Siegermedaille - kostbare Erinnerungsstücke der Zeitgeschichte. Das »Wunder von Bern« war neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ein Signal für den politischen und wirtschaftlichen Aufbruch in Deutschland. Sie brauche Geld für die Pflege ihrer Mutter, sagte Dagmar Eckel bei einer Pressekonferenz am Dienstag in Mannheim: »Gegenstände sind Gegenstände, Menschen sind Menschen.«
Die Ankündigung sorgt in der Fußball-Szene für Verwunderung. Eckels Trikot hängt seit 2015 im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund, als eines von nur drei erhalten gebliebenen WM-Trikots. Dagmar Eckel habe den Leihvertrag am Montagabend »völlig überraschend« gekündigt, teilte Museumsdirektor Manuel Neukirchner mit. »Wir prüfen derzeit den Sachverhalt. Unabhängig davon kann ich schon jetzt sagen, dass der Erwerb des gesamten Nachlasses für das Deutsche Fußballmuseum in Anbetracht des veranschlagten Startpreises der Auktion wohl nicht infrage kommt.«
Dem beauftragten Auktionshaus zufolge soll die Sammlung zunächst komplett für einen Startpreis von 280.000 Euro angeboten werden. Sollte sich kein Käufer finden, ist die Versteigerung von Einzelteilen geplant. Auch Eckels Haus in Vogelbach soll später einmal verkauft werden. »Wenn jemand, der wirklich das Herz dafür hat, die Dinge alle kaufen würde, wäre das wunderschön«, sagte Dagmar Eckel. Sie habe früher mit ihrem Vater über diese Möglichkeit gesprochen, und dieser habe gesagt, »um die Zukunft der Mama zu sichern, ist es gar keine Frage«. Es gehe um einen »wohldurchdachten und wohlüberlegten« Schritt. »Wenn Kritik angebracht ist, nehme ich die an«, meinte sie.
Geschäftsführer Tobias Wrzesinski von der Sepp-Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes, unter deren Dach sich die Horst-Eckel-Stiftung befindet, sagte der Deutschen Presse-Agentur, der Stiftung sei »nicht vorgetragen worden, dass eine Bedürftigkeit bei Hannelore Eckel« vorliege. »Selbstverständlich wären wir bereit gewesen, so eine Unterstützung zu prüfen.« Dazu meinte Dagmar Eckel, sie habe mit Wrzesinski gesprochen. »Solange wir das als Familie selbst stemmen können, ist das der Weg, der für Papa, Mama und mich zu gehen ist.«
Sie habe auch mit dem DFB und dem 1. FC Kaiserslautern gesprochen, mit dem Eckel seine größten Erfolge gefeiert hatte, sagte Dagmar Eckel. »Für mich war wichtig, dass es im Vorfeld bekannt war und sich niemand überrollt fühlt.« Sie wolle eine »saubere und ehrliche Art und Weise«. Zudem werde nicht alles versteigert - zum Beispiel nicht ein FCK-Ring, der Ehering und Horst Eckels Armbanduhr. »Dinge, die er getragen hat, sind mir wichtiger als die Goldmedaille von 1954.« Grundsätzlich habe der 1. FC Kaiserslautern immer Interesse am Nachlass verdienter Spieler, teilte der Verein des 54er-Kapitäns Fritz Walter mit. »In diesem Fall lag uns jedoch zu keinem Zeitpunkt eine diesbezügliche Anfrage oder gar ein Kaufangebot für den Nachlass vor.«
»Es fällt mir nicht leicht, es ist sehr emotional«, betonte Dagmar Eckel. Ihre 85-jährige Mutter sei seit Jahren ein Pflegefall. »Ich kann es allein nicht stemmen, ich muss die Dinge verkaufen.« Sie habe aber »ein vollkommen klares Gewissen und reines Herz.«
Eckel war am 3. Dezember 2021 in Landstuhl gestorben und ist in seinem Heimatdorf Vogelbach begraben worden. Die Stücke sollen im November versteigert werden. Nach Angaben des beauftragten Auktionshauses besteht die Sammlung aus mehr als 500 Einzelstücken. Noch 2019 hatte die Zeitung »Mannheimer Morgen« Dagmar Eckel mit den Worten zitiert, ihr Vater wolle seinen Nachlass nicht in fremde Hände geben: »Er möchte, dass der Nachlass in der Familie bleibt.« Danach habe sich die Situation geändert, sagte sie jetzt. »Das war eine Zeit, in der Mama noch nicht so sehr krank war.«
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