Anstelle der stets von ihm geforderten Stuttgart 21-Zusatzstation will Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) auf die Digitalisierung des Bahnknotens und andere Ausbauten des Schienennetzes setzen. Hermann verwies am Mittwoch auf ein Gutachten und sagte, der Ausbau des Verkehrsknotens rund um die Landeshauptstadt würde mehr Kapazitäten bringen als der Ergänzungsbahnhof. Nur so könne man dem weiteren erwarteten Wachstum der Nachfrage gerecht werden. Die Kosten für alle Maßnahmen wurden auf rund 3,9 Milliarden Euro geschätzt.
Die einst erwogene Ergänzungsstation würde alleine mit mindestens 785 Millionen Euro zu Buche schlagen. Sie ist nun damit zu den Akten gelegt worden. Gegen den Vorschlag hatte sich die ganze Zeit die Stadt Stuttgart ausgesprochen. Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) sagte nun: »Zukunftsfähiger Bahnverkehr und eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung lassen sich in unserer Stadt verbinden.« Die Abkehr vom Ergänzungsbahnhof sei deswegen richtig.
Der Grünen-Politiker sagte, die Digitalisierung ermögliche es, dass es am Hauptbahnhof in der Spitzenstunde über 100 Ankünfte von Fern- und Regionalzügen sowie S-Bahnen geben könnte und damit weit mehr als in den ursprünglichen S-21-Planungen vorgesehen.
Im Zuge des Bahnhofsprojekts Stuttgart 21 soll die Region Stuttgart bis Ende 2025 der erste digitalisierte Bahnknoten in Deutschland werden. Vom Fahrplanwechsel im Dezember 2025 an sollen die Züge des Fern-, Regional- und S-Bahnverkehrs auf einem mit neuer Technik ausgerüsteten Netz fahren. Es ist dann mit digitalen Stellwerken, dem Zugsystem ETCS und hochautomatisiertem Fahrbetrieb ausgerüstet.
Der Ausbau des Verkehrsknotens bedeutet nach den Vorstellungen Hermanns mehr und bessere Zulaufstrecken nach Stuttgart und in der Landeshauptstadt. So soll laut den Gutachtern im Norden der Schwabenmetropole ein Nahverkehrsdreieck geschaffen werden. Damit soll der Nahverkehr zwischen den Regionalbahnhöfen Stuttgart-Bad Cannstatt, Stuttgart-Feuerbach und Stuttgart-Vaihingen gestärkt werden.
Die Züge sollen künftig nur noch zwischen diesen drei Bahnhöfen verkehren, ohne dass sie den neuen geplanten Tiefbahnhof ansteuern müssen. Das macht weiteren Zugverkehr möglich, zusätzlich zu dem, was mit Stuttgart 21 möglich ist, wie weiter Hermann erläuterte. Die Kosten für das Norddreieck werden alleine auf rund 500 Millionen Euro geschätzt.
Ein langfristiger Ausbau des Bahnknotens ist nach Darstellung des Grünen-Politikers notwendig, um die angestrebte Verdoppelung der Nachfrage im gesamten öffentlichen Verkehr zu bewältigen. Dies führe im Schienenverkehr mit Regionalzügen im Knoten Stuttgart zu mehr als einer Verdreifachung im Vergleich zum Jahr 2010.
Hermann versteht das Gutachten zum Eisenbahnknoten Stuttgart 2040 als Diskussionsgrundlage. Es sei nicht identisch mit dem, was die Politik dann mache. Zunächst werde über das Thema diskutiert. Umwelt- und Verkehrsverbände begrüßten das Vorgehen. »Für die Einhaltung der Klimaziele wird über Stuttgart 21 hinaus weitere Eisenbahninfrastruktur benötigt«, erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Martin Bachhofer. Ähnlich äußerten sich die anderen Verbände.
Kritik an Hermann kam von der oppositionellen SPD. Sie sprach vom »Scheitern mit Ansage« mit Blick auf endgültige Aus für die von dem Verkehrsminister lange geforderte Ergänzungsstation für Stuttgart. Die FDP verwies darauf, dass die Entscheidung zur Digitalisierung des Bahnknotens schon 2020 gefallen sei. Und nur diese sei es, der die erforderlichen Kapazitätssteigerungen mit einer Verdreifachung der regionalen Verkehre ermögliche.
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