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Hausärzte lehnen Ausfüllen des digitalen Impfpasses ab

Mit den ersten Lockerungen von Corona-Auflagen wird die Debatte um den Impfpass lauter und schärfer. Denn wie soll man künftig nachweisen, dass man gegen das Virus geimpft ist?

Impfung
Eine Mitarbeiterin des Impfteams überprüft eine Spritze. Foto: Frey/dpa
Eine Mitarbeiterin des Impfteams überprüft eine Spritze.
Foto: Frey/dpa

STUTTGART. Die Hausärzte stemmen sich mit aller Kraft dagegen, den geplanten digitalen Impfpass auszufüllen. Ärzte dürften nicht weiter bürokratisch belastet werden, das sei ihnen angesichts des derzeitigen extremen Aufwandes durch Anfragen und Impftermine nicht mehr zuzumuten, sagte der Landesvorsitzende des baden-württembergischen Hausärzteverbandes, Berthold Dietsche, am Donnerstag in Stuttgart. »Die Praxen dokumentieren ihre Impfungen im gelben Impfausweis«, betonte er.

Deutschland will gemeinsam mit der EU noch im Juni einen digitalen Corona-Impfnachweis einführen. Bei bereits vorher vollständig Geimpften soll der Impfstatus aus dem analogen Impfpass übertragen werden. Es sind allerdings auch bereits gefälschte Impfpässe im Umlauf.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Regierungschefs der Bundesländer werden am kommenden Donnerstag (27. März) über offene Fragen beim Impfen reden. Unklar ist unter anderem noch, wer bei einer digitalen Erfassung der Impfungen die Millionen bereits verabreichten Impfungen aus dem gelben Impfbuch nachträglich überträgt.

»Wir haben in unseren Praxen im Augenblick andere Dinge zu tun«, sagte auch Dietsches Stellvertreter Frank Dieter Braun aus Biberach. »Wir benötigen die Zeit für unsere Patienten und können nicht noch hoheitliche Aufgaben von anderen Institutionen übernehmen. Wenn jemand ein Dokument beglaubigen lassen möchte, kommt er auch nicht auf die Idee, zum Hausarzt zu gehen.«

Das Interesse an Impfterminen bleibt in Baden-Württemberg ungebrochen, der Mangel an Impfstoff allerdings auch. Deshalb soll in den rund 50 Kreisimpfzentren im Land bis mindestens Mitte August hinein geimpft werden. Der Landtag müsse noch zustimmen und eine vertragliche Vereinbarung mit den Trägern müsse getroffen werden, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums in Stuttgart. »Je nach verfügbaren Impfstoffen werden wir die Impfzentren auch im September noch brauchen.« Eigentlich war zunächst für Ende Juni eine Einstellung des Betriebs vorgesehen.

Bei der Vereinbarung von Impfterminen gibt es seit Monaten große Schwierigkeiten. Dabei hat das Land beim Vergabesystem für Corona-Impftermine aus Sicht von Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) aufs falsche Pferd gesetzt. Die Terminvergabe über die Telefonnummer 116 117 zu regeln sei im Nachhinein »ein großer Fehler«, sagte er der »Stuttgarter Zeitung« und den »Stuttgarter Nachrichten« (Donnerstag). »Es war schlicht und einfach das falsche System, um einen Mangel verwalten zu können.« Wenn regelmäßig weniger Impfstoff zur Verfügung stehe als angekündigt, funktioniere es nicht. »Da helfen dann auch 500 Callcenter-Mitarbeiter nicht viel weiter.«

Die Ärzteorganisation Mediverbund Baden-Württemberg bietet nun eine Plattform an, die Impfwillige und Praxen mit kurzfristigen Impfkapazitäten zusammenbringt. Unabhängig von Rangfolgen können sich alle Menschen ab 18 Jahren auf der Plattform www.impfterminmanagement.de für eine Corona-Schutzimpfung mit ihren Daten und Impfstoffwünschen registrieren. Knapp 200 Haus- und Facharztpraxen nutzen nach einer Mitteilung des Verbundes die Plattform bereits für ihr Impftermin-Management.

»Jede Impfoption durch Restbestände, abgelehnte Impfstoffe oder geschwänzte Impftermine kann sofort genutzt werden«, sagte der Chef des Zusammenschlusses von rund 5000 niedergelassenen Ärzten und Psychotherapeuten im Südwesten, Werner Baumgärtner.

Einen anderen Ansatz bietet die Stadt Holzgerlingen (Kreis Böblingen) an diesem Samstag an: Eine Massenimpfung mit insgesamt 5000 Impfdosen des Vakzins von Astrazeneca sei bereits ausgebucht, teilte die Stadtverwaltung mit. Anmelden konnten sich zunächst Menschen aus Holzgerlingen und den Nachbarkommunen Altdorf und Hildrizhausen, später wurde dies auf das Gebiet des Landkreises erweitert.

Verschoben werden Termine für Zweitimpfungen gegen das Coronavirus dagegen nur selten. In der Regel würden die Zweittermine eingehalten, sagte ein Sprecher des Landesgesundheitsministeriums. Zwar sei die Quote der verschobenen Termine nicht zu beziffern, da Termine auf mehreren Wegen verschoben werden könnten wie beispielsweise vor Ort, über ein Callcenter oder ein Postfach des Ministeriums. »In Relation zur Gesamtzahl der Impfungen dürfte die Quote aber nicht sehr groß sein«, sagte der Sprecher. Vorverlegt werde wegen des erforderlichen Abstands zwischen der ersten und zweiten Impfung so gut wie kein Termin.

Es gebe aber durchaus Interesse an Änderungen, hieß es im Ministerium weiter. »Je mehr Impfungen erfolgen, desto mehr Menschen fragen auch nach dieser Möglichkeit«, sagte der Sprecher. Er betonte aber die besondere Bedeutung der Termine: »Die Zweitimpfung ist für eine Immunisierung unbedingt notwendig. Die Zweitimpftermine sind in den Zentren für bestimmte Wochen und damit für bestimmte Lieferungen fest eingeplant.« Die Verschiebung bereits eingetakteter Zweittermine sei mit einem massiven Aufwand verbunden. Deshalb sollten Zweitimpfungen nur aus wirklich zwingend notwendigen Gründen verschoben werden.

Baden-Württemberg liegt mit einer Impfquote von rund 37,3 Prozent (Stand: Mittwoch) bei den Erstimpfungen bundesweit im Mittelfeld. Gut 11,9 Prozent sind vollständig geimpft, wie aus den Daten des Impfdashboards und des Robert Koch-Instituts (RKI) hervorgeht. (dpa)