Die mit Stimmen der AfD durchgesetzte Steuersenkung in Thüringen und die Frage nach dem Umgang mit den Rechtspopulisten entzweit Grüne und CDU in Baden-Württemberg. Zwar lehnen beide Koalitionspartner eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Aber während Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz die Durchsetzung des CDU-Antrags mit AfD-Stimmen am Freitag in Stuttgart als »Tiefschlag für den Parlamentarismus« bezeichnete, äußerte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel durchaus Verständnis für die Parteikollegen im Osten.
Schwarz verurteilte das Verhalten der CDU in Thüringen aufs Schärfste. »Ich sage für mich, für meine Fraktion: Kein Fußbreit zur AfD.« Er wolle »keinerlei Zusammenarbeit mit dieser faschistischen, antisemitischen, rassistischen Partei.« Koalitionspartner Hagel wiederum wollte keine Kritik an seinen CDU-Parteikollegen in Erfurt üben. Die Situation in Thüringen sei durch die Minderheitsregierung eine andere sei als in Baden-Württemberg und nicht vergleichbar. Im Südwesten gebe es eine stabile Koalition, dort eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung.
Im Osten sei die Lage zudem ungleich aggressiver als bei uns, betonte Hagel. Er habe einen Heidenrespekt vor allen Politikerinnen und Politikern des demokratischen Verfassungsbogens, die in Ostdeutschland Verantwortung trügen. »Deshalb werde ich niemandem im Osten der Republik Ratschläge geben, wie er sich zu verhalten hat oder irgendwen abtadeln.«
Die CDU in Thüringen habe den Antrag zur Steuersenkung nicht vorher mit der AfD besprochen, es habe sich auch nicht um einen gemeinsamen Antrag von CDU und AfD gehandelt, sagte Hagel. »Wenn etwas wahr ist, eine eigene Überzeugung, wird sie nicht dadurch falsch, weil die Falschen sagen, sie ist wahr.« Grundsätzlich wolle die CDU ihre Politik aber »nicht von diesen Typen von der AfD abhängig machen«, sagte Hagel. Die CDU im Südwesten lehne die Einstellung und Haltung der AfD klar ab. Hagel betonte auch, dass die Brandmauer zur AfD für die CDU lebensnotwendig sei.
Die CDU steht nach einer mit Hilfe der AfD beschlossenen Steuersenkung in Thüringen im Feuer der Kritik. Im Thüringer Landtag war am Donnerstag eine Grunderwerbsteuersenkung von 6,5 Prozent auf 5 Prozent beschlossen worden. Die Initiative ging auf die CDU-Fraktion zurück, die in Thüringen in der Opposition ist. Der in Rede stehende Gesetzesentwurf konnte nur beschlossen werden, weil neben der CDU Abgeordnete von FDP, AfD und Fraktionslose dafür stimmten. In Thüringen regiert ein Bündnis aus Linke, SPD und Grünen, das jedoch im Landtag keine Mehrheit hat. Die Thüringer AfD wird vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft und beobachtet.
Die AfD-Fraktion im Südwesten begrüßte die Durchsetzung der Steuersenkung mit der CDU in Thüringen. »Die künstlich aufgebauschte Brandmauer hat keinen Beistand«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Daniel Lindenschmid. »Für uns ist nicht entscheidend, wer mit uns zusammenarbeiten möchte, sondern was der Wähler möchte«, sagte Fraktionschef Anton Baron. Die AfD stimme dem zu, was man für sinnvoll erachte. Zu Thüringen sagte er: »Wir hätten da genauso zugestimmt.« Die AfD habe sich längst rechts von der Union als bürgerlich-konservative Kraft etabliert.
SPD-Fraktionschef Andreas Stoch nannte das Verhalten der CDU in Thüringen »mehr als verstörend«. »Das ist kein Betriebsunfall, sondern ein ganz bewusster Schritt über die Grenze zur Zusammenarbeit mit Rechtsextremen.« Wer mit der Höcke-AfD Mehrheiten organisiere, lasse sich irgendwann auch als Minderheitsregierung von der AfD tolerieren - oder regiere mit ihnen gemeinsam, kritisierte Stoch.
Die FDP im Landtag wollte sich auf Nachfrage nicht zur Causa Thüringen äußern. Man sehe keinen Nachrichtenwert, teilte ein Fraktionssprecher mit.
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