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Aktuell Fiskalpolitik

Grundsteuer-Spitzenreiter: Tübingen landesweit vorne

Dauerkrise und Inflation treffen auch viele Kommunen in Deutschland. Die Folge sind oft klamme Kassen. Eine Studie zeigt nun: Viele Städte und Gemeinden haben vergangenes Jahr wieder öfter an einer wichtigen Stellschraube gedreht - im Südwesten trifft das auf Tübingen besonders zu.

Grundsteuer
Doppelhäuser einer Neubausiedlung. Foto: Henning Kaiser/DPA
Doppelhäuser einer Neubausiedlung.
Foto: Henning Kaiser/DPA

STUTTGART. Vergleichsweise viele Städte und Gemeinden im Südwesten haben vergangenes Jahr die Grundsteuer erhöht. 2022 stieg der Hebesatz zur Grundsteuer B in 16,3 Prozent der Kommunen im Land. Das geht aus einer am Montag veröffentlichten Analyse der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) hervor. Größer war der Anteil nur in Nordrhein-Westfalen (26,0), im Saarland (19,2) und in Rheinland-Pfalz (17,4). Deutschlandweit waren es 12,5 Prozent. In 0,3 Prozent der Südwest-Kommunen sank der Satz, im Rest blieb er gleich.

Beim Vergleich der durchschnittlichen Hebesätze sind die Kommunen in Baden-Württemberg aber genügsamer als jene in anderen Bundesländern. Im Durchschnitt wurde der Satz von 2021 auf 2022 zwar um 5,1 Punkte auf 368 Prozent erhöht. Niedrigere Hebesätze gab es allerdings nur in Bayern und Schleswig-Holstein. Mit im Durchschnitt 565 Prozent riefen die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen die höchsten Sätze auf. Bundesweit lag der Durchschnitt 2022 bei 391 Prozent.

Aber auch innerhalb Baden-Württembergs gab es deutliche Unterschiede: Am höchsten fiel der Hebesatz zur Grundsteuer B mit 660 Prozent in Tübingen aus. Eigentümerinnen und Eigentümer in Büsingen am Hochrhein konnten sich über einen Hebesatz von 0 Prozent freuen. Bundesweiter Spitzenreiter ist Lorch in Hessen mit 1050 Prozent.

Bundesweit verzeichnete die Analyse einen Trend zu immer höheren Hebesätzen. Als einer der Gründe nannte EY-Branchenexperte Heinrich Fleischer die Kassenlage vieler Kommunen: So wie die Bürgerinnen und Bürger litten auch sie unter Kostensteigerungen, die sie weitergeben würden. Anders als bei den Gewerbesteuer-Hebesätzen, mit denen viele Kommunen um die Neuansiedlung von Unternehmen werben würden, sei bei der Grundsteuer kein Standortwettbewerb zu beobachten.

Die aktuelle Entwicklung sei eine Hiobsbotschaft und berge ein hohes Maß an Ungewissheit angesichts der aktuellen Grundsteuer-Reform: Im Zuge der Neubewertung und den erwartbar steigenden Grundsteuerwerten drohten sowohl Immobilienbesitzern als auch Mietern höhere Kosten - wenn nicht gleichzeitig die Hebesätze sinken würden. Die Sorge vor steigenden Abgaben sei nachvollziehbar, sagte Fleischer.

Die Grundsteuer B wird auf bebaute und bebaubare Grundstücke erhoben und von den Eigentümerinnen und Eigentümern bezahlt - oder auf Mieter umgelegt. Neben dem Grundstückswert ist unter anderem der Hebesatz einer der Faktoren für die Berechnung. Für Kommunen ist die Steuer eine der wichtigsten Einnahmequellen.

Von 2025 an soll eine neue Grundsteuer-Berechnung gelten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung 2018 gefordert, da die bisherige Bemessungsgrundlage verfassungswidrig ist. Bis zuletzt kalkulierten die Finanzämter den Wert einer Immobilie auf Grundlage völlig veralteter Daten. Für die Berechnung müssen bundesweit fast 36 Millionen Grundstücke neu bewertet werden.