Sind sie nun ein »großer Wurf«, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) findet oder stellen sie schlicht »Schönheitsreparaturen« dar, wie SPD-Fraktionschef Andreas Stoch kritisiert? Der Landtag hat am Mittwoch über die geplanten Bildungsreformen der grün-schwarzen Koalition debattiert.
Kretschmann nannte das Bildungspaket in einer Regierungserklärung eine kleine Bildungsallianz. Eine große Allianz mit SPD und FDP sei zwar nicht zustande gekommen, eine kleine aber schon, sagte der Grünen-Politiker. »Grüne und CDU kommen ja in der Bildungspolitik durchaus aus unterschiedlichen Richtungen. Trotzdem ist es uns gelungen, einen Konsens zu finden, der von der frühkindlichen Bildung über die Grundschule bis hin zu den weiterführenden Schulen reicht«, sagte Kretschmann.
Dieser Konsens sei weit mehr als der kleinste gemeinsame Nenner. Das Bildungspaket sei das größte und umfassendste, das er in seiner Zeit als Abgeordneter erlebt habe. »Und Sie wissen: Ich bin schon ein Weilchen dabei.« Mit den Maßnahmen stelle man das Schulsystem auf eine »gute, stabile und zukunftsfähige Basis«. Das Paket stärke die Bildungsgerechtigkeit, gebe den weiterführenden Schulen ein klares und attraktives Profil, sorge für mehr Übersichtlichkeit der Schullandschaft und gebe Eltern und Kindern mehr Orientierung.
Am vergangenen Donnerstag waren Gespräche über mögliche gemeinsam getragene Bildungsreformen zwischen Regierung und Opposition nach einem zweiten Treffen gescheitert. Die grün-schwarze Koalition hatte sich zuvor auf gemeinsame Vorschläge für grundlegende Reformen geeinigt. Unter anderem will die Koalition den Werkrealschulabschluss abschaffen und erreichen, dass sich bestehende Werkrealschulen mit Realschulen zu Verbundrealschulen zusammenschließen.
G9 soll demnach zum Schuljahr 2025/2026 eingeführt werden und mit den Klassen fünf und sechs starten. Die Gymnasien sollen zudem die Option erhalten, G8-Züge anzubieten - allerdings ohne dafür zusätzliche Mittel zu bekommen. Verständigt hat sich Grün-Schwarz auch darauf, die Grundschulempfehlung wieder verbindlicher zu gestalten. Außerdem soll es mehr Ganztagsgrundschulen geben. Grundschulen in Brennpunkt-Gegenden sollen gar zu verbindlichen Ganztagsschulen werden.
Wenig zuvor hatte die Koalition bereits eine Einigung im Bereich der frühkindlichen Bildung vermeldet und ein Programm zur Sprachförderung an Kitas und Grundschulen vorgestellt. Damit sollen Kinder mit Sprachproblemen frühzeitig gefördert werden.
Scharfe Kritik an den Plänen der Regierung äußerte SPD-Fraktionschef Andreas Stoch. Zwar gehe die Einigung zwischen CDU und Grünen nicht durch die Bank in eine grundfalsche Richtung. Sie enthalte aber lediglich Bausteine. »Sie flicken nur, wo es am nötigsten ist, sie machen nur ein paar Schönheitsreparaturen«, kritisierte Stoch, der Grün-Schwarz Selbstzufriedenheit vorwarf.
Auch FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sparte nicht mit Kritik. Die geplante Abschaffung des Werkrealschulabschlusses sei falsch, so Rülke. »Hier wird ein funktionierendes, ein erfolgreiches System zerschlagen.« Auch den Ministerpräsidenten persönlich ging Rülke scharf an. Dieser habe die Gespräche zu einer Bildungsallianz von Anfang an torpediert. »Es war immer ihr Ziel, zu sagen: Schulpolitik macht meine Regierung und nach mir dann die Sintflut«, sagte Rülke.
Es sei notwendig, die Gespräche über eine Bildungsallianz fortzuführen. Man müsse auch im Gespräch bleiben, wenn man einen Regierungschef habe, der nur destruktiv unterwegs sei. Bereits nach dem Scheitern der Gespräche in der vergangenen Woche hatte Rülke betont, eine weitere Einladung zu Gesprächen an die Fraktionschefs aussprechen zu wollen. »Unsere Hand bleibt ausgestreckt«, sagte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel in der Debatte im Landtag. Für ein Bildungsupdate brauche es weitere Schritte. Und auch Kretschmann sagte, die Regierung sei weiter gesprächsbereit und werde sich guten Vorschlägen nicht verschließen.
Umgesetzt werden sollen die Reformen nun schnell. Man werde den vereinbarten Weg kraftvoll und zügig beschreiten, sagte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz. »Wir sehen jetzt zu, dass wir schnell Gesetzesentwürfe vorbereiten und in den Landtag bringen.«
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