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Große Unzufriedenheit im Südwesten über Flüchtlingsgipfel

»Nicht mehr als ein Trostpflaster«, so bezeichnen die Kommunen die eine Milliarde Euro, die der Bund den Ländern in der Flüchtlingskrise zugesagt hatte. Auch der Regierungschef reagiert ernüchtert.

Winfried Kretschmann
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Foto: Bernd Weißbrod
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Foto: Bernd Weißbrod

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich enttäuscht gezeigt von den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels. Für Bund, Länder und Kommunen müsse endlich verlässlich und dauerhaft geklärt sein, wer welche Lasten trage, sagte der Grünen-Politiker am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur. »Dies auszuverhandeln ist mit dem Bundeskanzler leider nicht gelungen. Dadurch bestehen weiter Unklarheiten und Unsicherheiten, was den Herausforderungen im Ganzen nicht gerecht wird und die Debatte am Köcheln hält.« Eine am Bedarf orientierte, langfristige, dauerhafte und verlässliche Finanzierung sei weiterhin notwendig.

Der Bund hatte nach einem Gipfeltreffen mit den Ministerpräsidenten am Mittwochabend eine Milliarde Euro als zusätzliche Beteiligung an den Kosten der Flüchtlingsversorgung für dieses Jahr zugesagt. Über die künftige Aufschlüsselung der Kosten soll aber zunächst in einer Arbeitsgruppe beraten und erst im November entschieden werden. Die für Migration zuständige Justizministerin Marion Gentges (CDU) nannte das Ergebnis des Gipfel »weder zufriedenstellend, noch beweist es Handlungsfähigkeit«. Sie teile die Enttäuschung des Regierungschefs.

Nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel gehen von der Milliarde rund 130 Millionen Euro an den Südwesten, wie das Staatsministerium berichtet. Davon wiederum gingen 23 Prozent, also rund 30 Millionen Euro, über die Steuerverbundquote automatisch an die Kommunen. Über die restlichen rund 90 Millionen Euro werde in der Gemeinsamen Finanzkommission mit den kommunalen Landesverbänden verhandelt.

Der Städtetag im Südwesten teilte mit, dass das nun zugesagte Geld des Bundes bei weitem nicht ausreichen werde. »Wir hätten uns Signale für eine verlässlichere Finanzierung gewünscht«, betonte das geschäftsführende Vorstandsmitglied Ralf Broß. »Außerdem löst das Geld nicht die bessere Verteilung der Geflüchteten innerhalb Europas.« CDU-Fraktionschef Manuel Hagel pochte am Donnerstag auf eine »Absenkung und Angleichung der Leistungen in Europa, damit wir eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge erreichen«.

Die Vertagung sei ernüchternd, die Zusage von einer Milliarde Euro »nicht mehr als ein Trostpflaster«, reagierte der Gemeindetag im Südwesten. »Die Städte und Gemeinden können nicht immer von MPK zu MPK vertröstet werden«, sagte Präsident Steffen Jäger.

Auch die Landkreise zeigten sich von den Ergebnissen des Flüchtlingsgipfels enttäuscht. Es gebe weiterhin keine verlässliche Perspektive für die Kommunen, kritisierte der Präsident des Landkreistags Baden-Württemberg, Joachim Walter (CDU). »In finanzieller Hinsicht bedarf es dringend eines auf Dauer angelegten atmenden Systems, bei dem die Refinanzierung der Geflüchtetenkosten automatisch und ohne ständig wiederkehrende Krisengipfel den Flüchtlingszahlen und Kostenentwicklungen folgt«, sagte Walter, der auch Landrat des Landkreises Tübingen ist. Die Kommunen bräuchten eine dauerhafte und vollständige Übernahme der Kosten der Unterkunft für anerkannte Flüchtlinge.

© dpa-infocom, dpa:230511-99-647636/4