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Grüne: Gute Steuerschätzung »gefährliche Versuchung«

Im nächsten Doppelhaushalt werden wichtige Weichen gestellt: Es entscheidet sich, was Grün-Schwarz in dieser Wahlperiode überhaupt noch umsetzen kann. Die Wunschliste ist lang. Klar ist: Es wird viele Enttäuschungen geben.

Danyal Bayaz (Grüne)
Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, spricht. Foto: Bernd Weißbrod
Danyal Bayaz (Bündnis 90/Die Grünen), Finanzminister von Baden-Württemberg, spricht.
Foto: Bernd Weißbrod

Trotz positiver Steuerschätzung hat Finanzminister Danyal Bayaz zum Maßhalten aufgerufen. »Der finanzielle Spielraum ist trotz der guten und zugleich unsicheren Prognosen erkennbar gering. Wir sollten deshalb einen fokussierten Doppelhaushalt mit klaren Prioritäten aufstellen. Ausgabendisziplin ist dafür wichtig«, erklärte der Grünen-Politiker am Montag. Die Steuerschätzung hatte ergeben, dass das Land bis zum Jahr 2026 mit über 7,4 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen rechnen kann als noch im November erwartet.

Bayaz warnte davor, daraus abzuleiten, im Doppelhaushalt 2023/2024 könne man aus dem Vollen schöpfen. »Die stabilen Steuereinnahmen sind erfreulich, allerdings ist die Steuerschätzung diesmal mit hoher Unsicherheit verbunden. Die Folgen des russischen Angriffskriegs für die Konjunktur könnten sich noch weiter verschärfen«, warnte der Minister. Hinzu kämen gestörte Lieferketten und höhere Preise. »Es könnte daher sein, dass sich die stabile Prognose bei der nächsten Steuerschätzung im Herbst verschlechtert. Dieses Szenario sollten wir beim anstehenden Doppelhaushalt mit berücksichtigen.«

Erstmals bezifferte der Minister auch, wie hoch die Mindereinnahmen für das Land durch die Entlastungspakete der Bundesregierung sein werden. »Sie sind bereits in den Landesergebnissen der Steuerschätzung enthalten und belaufen sich in diesem Jahr auf 593 Millionen Euro. Und für die kommenden beiden Jahre betragen die Mindereinnahmen 675 Millionen«, erklärte Bayaz.

Auch Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz drückte auf die Euphoriebremse. »Die Steuer-Überraschung ist ein Beleg dafür, dass Baden-Württemberg aus dem dunkelsten Tal der Pandemie herausgefunden hat.« Die vermeintlich gute Ausgangslage dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schätzung mit Risiken verbunden sei. »Gute Zahlen sind im Moment eine gefährliche Versuchung - gerade da die Auswirkungen des Ukraine-Krieges wenig planmäßig sind.«

CDU-Fraktionschef Manuel Hagel sagte, man dürfe sich von den guten Zahlen nicht blenden lassen. »Corona ist noch nicht ausgestanden und wie lange der Ukraine-Krieg dauern wird, ist unklar. Auch die gestiegene Inflation macht mir Sorgen.« Man müsse die Zahlen der Steuerschätzung in Ruhe analysieren und den kommenden Haushalt verantwortungsvoll und vorsichtig planen.

Der Bund der Steuerzahler im Südwesten empfahl »strenge Haushaltsdisziplin«. Landeschef Eike Möller sagte: »Von den hohen prognostizierten Steuermehreinnahmen darf man sich nicht blenden lassen.« Grün-Schwarz wäre aus seiner Sicht gut beraten, wenn sie vor allem auf einen »Ausgabenstopp« setzen würde. Der Verband sehe sich da auf einer Linie mit Finanzminister Bayaz. Möller drang auf eine Senkung der Personalkosten. »Das bedeutet, dass keine zusätzlichen Stellen geschaffen werden sollten, wenn woanders keine gestrichen werden. Primär in der Ministerialverwaltung gehören hier bestehende Stellen auf den Prüfstand.« Er findet zudem, dass Projekte wie die Sanierung der Stuttgarter Oper oder des Staatstheaters in Karlsruhe abgespeckt werden sollten.

Der FDP-Finanzpolitiker Stephen Brauer sagte, die überzogenen Ausgaben der Vergangenheit würden Grün-Schwarz nun auf die Füße fallen. Der SPD-Fraktionsvize Nicolas Fink forderte von der Landesregierung hingegen »kraftvolle Investitionen« in bezahlbaren Wohnraum, die Energiewende, Arbeitsplätze und das Bildungssystem.

Der Koalitionsvertrag von Grünen und CDU steht seit Beginn unter Finanzierungsvorbehalt. Der anstehende Doppeletat ist der zentrale Haushalt für die Realisierung der Projekte in dieser Wahlperiode, die bis 2026 geht. Das dürfte zähe Verteilungskämpfe nach sich ziehen. In einer Woche kommt die Haushaltskommission der Koalition zusammen, um sich mit den Eckpunkten für den Doppeletat zu befassen.

Auch für die Gemeinden, Städte und Kreise im Land sieht die Steuerschätzung Mehreinnahmen vor: Sie belaufen sich bis 2024 auf etwas über 3 Milliarden Euro. Der Gemeindetag warnte vor Euphorie. Präsident Steffen Jäger mahnte eine »aufgabengerechte Finanzierung« an, um die Lage weiter meistern zu können. Der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages, Alexis von Komorowski, sagte, die aktuelle Steuerschätzung versetze das Land in die Lage, sich kurzfristig mit den Kommunen über die Erstattung der Kosten für die Ukraine-Flüchtlinge zu verständigen.

Mitteilung

© dpa-infocom, dpa:220516-99-306780/4