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Gentges: Korrektur bei Gesetz gegen Kinderpornos vorstellbar

Seit 2021 wird Kinderpornografie als Verbrechen behandelt. Die Praxis zeigt: Die Folgen können auch Jugendliche scharf treffen, auch wenn ein lockerer Umgang mit Nacktfotos oft eigentlich nichts damit zu tun hat. Nicht nur die Richter sind alarmiert.

Marion Gentges (CDU)
Marion Gentges (CDU), Ministerin der Justiz und für Migration in Baden-Württemberg, spricht. Foto: Christoph Schmidt
Marion Gentges (CDU), Ministerin der Justiz und für Migration in Baden-Württemberg, spricht.
Foto: Christoph Schmidt

Ist eine Strafe gegen meist junge Menschen wegen Kinderpornografie auch dann gerechtfertigt, wenn ihre eigentliche Tat am Kern der Sache vorbeigeht? Wenn sie zum Beispiel eher unwissentlich Nacktfotos in Schüler-Chats weiterleiten oder nicht schnell genug löschen? Justizministerin Marion Gentges (CDU) kann sich angesichts des deutlichen Anstiegs von Urteilen unter bestimmten Bedingungen Korrekturen am Gesetz vorstellen.

Grundsätzlich seien die harten Strafen für Kinderpornografie aber richtig, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Argument einer belasteten Justiz könne nicht gelten. »Für die Frage der Strafbarkeit darf nicht entscheidend sein, was sich die Justiz leisten kann, sondern was rechtlich geboten ist«, sagte Gentges. Es sei aber sinnvoll, das Gesetz weiterzuentwickeln und auch einen minder schweren Fall zu regeln.

Nicht nur der Deutsche Richterbund sieht das ähnlich und fordert Nachbesserungen. »Nach einem Jahr Erfahrung mit den verschärften Strafvorschriften hat sich herausgestellt, dass es dringend einer Überarbeitung bedarf«, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn. Er unterstützt eine Brandenburger Initiative für die Justizministerkonferenz, die zum Verbrechen hochgestuften Tatbestände der Kinderpornografie wieder zum Vergehen herabzusetzen oder zumindest eine Regelung für minder schwere Fälle vorzusehen. Gesetzesänderungen wie diese sind aber Sache des Bundes. »Der Bundesjustizminister sollte das schnellstmöglich aufgreifen und eine Korrektur auf den Weg bringen«, sagte Rebehn.

Grund für die Debatte ist das seit Juli 2021 geltende Gesetz zur Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder. Mit ihm ist der Besitz, die Verbreitung und der Erwerb von Kinderpornografie gesetzlich ein Verbrechen. Einstellungen von Verfahren wegen Geringfügigkeit oder unter Auflagen und Weisungen sind damit nicht mehr möglich.

Aus Sicht von Gentges braucht es aber Spielraum, um etwa auf Fälle in Schüler-Chat-Gruppen zu reagieren, bei denen ein Schüler unaufgefordert ein Bild zugeschickt bekomme und nicht direkt lösche. Zum einen werde in diesen Gruppen immer häufiger kinder- und jugendpornografisches Material oft ohne vorhandenes Unrechtsbewusstsein geteilt. Zum anderen sei den Absendern sehr oft aber nicht bewusst, dass sie sich strafbar machten.

Ähnlich gelagert ist nach Angaben einer Sprecherin des Ministeriums auch das sogenannte Sexting. Macht ein Jugendlicher unter 14 Jahren zum Beispiel ein umstrittenes Foto oder ein Video und schickt es an seine 16-jährige und somit strafmündige Freundin, gilt das heute als Verbrechen. Ähnlich ist es nach Angaben der Sprecherin auch, wenn ein Schüler unter 14 ein Nacktfoto von sich in den Klassenchat sendet, eine Mutter dies auf dem Handy ihrer Tochter sieht und das Bild an den Elternchat sendet, um zu informieren. Oder auch, wenn eine Lehrerin ein entsprechendes Foto zu Beweiszwecken weiterleitet.

Bei Kinderpornografie handelt es sich etwa um Abbildungen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs. Die Zahl der Verurteilungen wegen des Umgangs mit Kinderpornografie ist nach Angaben des Ministeriums im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg um ganze 40 Prozent gestiegen - von 382 im Jahr 2020 auf 535 Verurteilungen im Jahr 2021. Gentges hatte im vergangenen Jahr auch an die Verantwortung der Eltern appelliert. Es handele sich aber auch um ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, mit dem man Eltern und Schüler nicht alleine lassen dürfe, hatte sie gesagt.

© dpa-infocom, dpa:221105-99-393799/3