Justizministerin Marion Gentges (CDU) fordert, Opfern von schweren Sexual- und Gewaltstraftaten einen schnelleren Zugang zu einer Therapie zu ermöglichen. Gentges sprach sich in Stuttgart dafür aus, die Möglichkeiten der Videovernehmung zu erweitern, um dem Vorwurf der etwaigen Beeinflussung der Erinnerung eines Zeugen zu begegnen und den Stand der Aussage schon vor der Hilfe zu sichern.
Die Opfer seien in einer Doppelrolle. »Sie sind wichtige Zeugen, deren unverfälschte Erinnerung zentraler Bestandteil des Strafverfahrens ist, das gegen den Täter geführt wird.« Daneben seien sie aber vor allem auch traumatisierte Patienten, die oft dringend auf eine therapeutische Behandlung angewiesen seien, um das Erlebte zu verarbeiten.
Diesem Zeugendilemma müsse man mehr Aufmerksamkeit widmen: »Wie kann Opfern therapeutische Hilfe ermöglicht werden, ohne dass der Beweiswert der Zeugenaussage und damit die strafrechtliche Verfolgung des Täters gefährdet wird?« Mit diesem Konflikt dürften die Verletzten nicht allein gelassen werden. Deshalb sei es wichtig, dass die Auswirkungen verschiedener therapeutischer Methoden auf die Glaubwürdigkeit der Verletzten und die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen wissenschaftlich untersucht werden.
»Zudem muss geprüft werden, ob die strafprozessualen Möglichkeiten zur frühzeitigen richterlichen Videovernehmung erweitert werden sollten. Eine frühe Aussage, die auf Video festgehalten ist, kann den Nachweis der Aussagekonstanz gewährleisten und den Therapiebeginn erleichtern.«
Die Justizministerkonferenz hatte sich kürzlich dem Vorstoß des Landes angeschlossen. Das Bundesjustizministerium wurde nun gebeten, zu prüfen, ob die entsprechende Regelung in der Strafprozessordnung entsprechend konkretisiert werden kann. Oftmals stehen Opfer solcher Verbrechen vor der schweren Entscheidung, eine ebenfalls gesundheitlich erforderliche Behandlung zurückzustellen, um die strafrechtliche Verfolgung des Täters nicht zu beeinträchtigen.
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