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Gelockerte Corona-Regeln: Ausgangssperren fallen weg

Nach massivem Druck der Justiz geht Kretschmann erste Öffnungsschritte. Das Land kehrt zurück in die normale Alarmstufe - trotz Omikron. Clubs, Discos und Messehallen bleiben aber zu.

Ministerpräsident Kretschmann
Winfried Kretschmann setzt sich nach einer Regierungs-Pressekonferenz eine Maske auf. Foto: Bernd Weißbrod/dpa
Winfried Kretschmann setzt sich nach einer Regierungs-Pressekonferenz eine Maske auf. Foto: Bernd Weißbrod/dpa

STUTTGART. Baden-Württemberg lockert trotz Omikron-Welle seine strengen Corona-Regeln in vielen Lebensbereichen. Vom kommenden Freitag an gilt etwa in Restaurants, in Museen und beim Sport in Hallen nur noch die 2G-Regel, bisher mussten auch hier Geimpfte und Genesene einen aktuellen Test vorweisen. Bei Großveranstaltungen in Sport und Kultur sind wieder mehr Besucher erlaubt, die Obergrenze liege bei 6000, kündigte Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Mittwoch im Landtag in Stuttgart an. Auch für Ungeimpfte gibt es Erleichterungen. Die nächtlichen Ausgangssperren fallen mit Rückkehr in die normale Alarmstufe weg. Trotz der Lockerungen mahnte Kretschmann wegen der hochansteckenden Omikron-Virusvariante zur Vorsicht.

Die grün-schwarze Regierung nahm deshalb in der zweithöchsten Stufe, der normalen Alarmstufe, auch einige Verschärfungen vor. Clubs, Discos und Messehallen müssen wegen erhöhter Ansteckungsgefahr geschlossen bleiben. »Wir gehen an dieser Stelle auf Nummer sicher«, sagte Kretschmann. Eigentlich hätten sie in der Alarmstufe mit der 2G-Regel wieder öffnen dürfen. Fastnachtsumzüge sind verboten. In Bussen und Bahnen muss künftig eine FFP2-Maske getragen werden. Im Einzelhandel gilt wegen eines Gerichtsurteils vom Dienstag wieder die 3G-Regel, Ungeimpfte können mit einem aktuellen Test wieder einkaufen.

Die neue Corona-Verordnung der grün-schwarzen Regierung soll Donnerstag beschlossen werden und von Freitag an gelten. Künftig soll es demnach länger dauern, bis das Land die Alarmstufe II mit härteren Einschränkungen ausrufen kann. Außer bei der AfD gab es von der Opposition im Landtag kaum Kritik an den neuen Regeln.

Hintergrund für die Lockerungen ist, dass die Regierung aus Grünen und CDU das reguläre Stufensystem wieder in Kraft setzen muss. Zuletzt hatte sie wegen Omikron die Alarmstufe II mit harten Einschränkungen eingefroren. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) hält dieses Vorgehen aber für voraussichtlich rechtswidrig. Kretschmann bekräftigte, Omikron bringe zwar weniger schwere Krankheitsverläufe, sei aber deutlich ansteckender. Weil die Belastung der Krankenhäuser in den vergangenen Wochen - relativ gesehen - gesunken ist, muss die Regierung die Maßnahmen etwas lockern.

Die Regeln für private Treffen blieben unverändert. Das heißt, dass Ungeimpfte Kontaktbeschränkungen einhalten müssen. Ein Haushalt darf sich nur mit zwei weiteren Personen treffen. Die Ausgangssperren zwischen 21.00 Uhr und 05.00 Uhr für Nicht-Immunisierte fallen in der Alarmstufe weg. Bisher galt in Kreisen mit einer 7-Tage-Inzidenz von mindestens 500, dass Ungeimpfte nur aus zwingenden Gründen nachts das Haus verlassen dürfen. Mit der neuen Corona-Verordnung soll auch die Regel in der Alarmstufe II angepasst werden. Künftig sollen die Ausgangsbeschränkungen erst greifen, wenn in einem Kreis die Inzidenz von 1500 überschritten wird.

In der Gastronomie entfällt in der Alarmstufe auch die Sperrstunde ab 22.30 Uhr. In Museen, Archiven und Büchereien gilt nur noch 2G. Dasselbe gilt für Kosmetiksalons. Auch bei touristischen Angeboten wie Skilifts, Seilbahnen und Busreisen müssen Geimpfte und Genesene künftig keinen Test mehr vorweisen.

Im Fußballstadion sind in der normalen Alarmstufe wieder bis zu 6000 Zuschauer zugelassen, wenn der Veranstalter die 2G-plus-Regel anwendet. Das heißt, die Besucherinnen und Besucher müssen geimpft oder genesen und zusätzlich getestet sein. Wenn die Veranstalter mit der 2G-Regel arbeiten wollen, gilt eine Obergrenze von 3000 Zuschauern. 10 Prozent dürfen Stehplätze sein. Die Besucher müssen aber eineinhalb Meter Abstand halten.

Bei Kulturveranstaltungen wie Konzerten sind in geschlossenen Räumen 3000 Besucher zugelassen - unter der Bedingung, dass 2G plus am Eingang angewendet wird. Bei 2G ist die Obergrenze 1500. Für alle Veranstaltungen gilt, dass höchstens die Hälfte der Kapazitäten ausgeschöpft werden dürfen.

Die Corona-Inzidenz ist wegen Omikron in den vergangenen Tagen auf über 800 stark gestiegen. Allerdings ist die Zahl der Covid-19-Patienten auf Intensivstationen auf 286 gesunken. Die landesweite Hospitalisierungsinzidenz lag zuletzt bei 4,8. Sie gibt an, wie viele Corona-Infizierte innerhalb einer Woche pro 100 000 Einwohner in Krankenhäuser gebracht werden.

Kretschmann erklärte, mit der Hospitalisierungsrate von über 3,0 sei die Voraussetzung für die Alarmstufe erfüllt - auch wenn die Obergrenze der Intensivbetten von 390 nicht erreicht werde. Künftig gelte aber für das Erreichen der Alarmstufe II eine neue Regel: Diese werde nur ausgerufen, wenn beide Grenzwerte überschritten werden. Das heißt, die Hospitalisierungsrate müsste über 6 steigen und es müssten mehr als 450 Covid-Patienten auf Intensivstationen liegen. »Diese Verknüpfung ist neu«, erklärte der Regierungschef.

SPD und FDP hielten der Regierung vor, dass der VGH das Einfrieren der Alarmstufe II gerügt hatte. Kretschmann habe hier »willkürlich« gehandelt, kritisierte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. »Der erste, der sich nicht an die eigenen Regeln hält, ist Winfried Kretschmann. Da braucht er sich nicht zu wundern, dass Menschen auf die Straße gehen.« Er vermisse eine Exit-Strategie: »Wie stellen sie sich vor, dass es weiter geht, wenn diese Pandemie – so Gott will – demnächst endet?«

AfD-Fraktionschef Bernd Gögel hält die Einschränkungen für völlig übertrieben. Zur FFP2-Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sagte er: »Das kann doch nicht ihr Ernst sein.« Die richtige Strategie sei, dass alle Menschen sich täglich testen. Die Fraktionschefs von Grünen und CDU, Andreas Schwarz und Manuel Hagel, verteidigten die Corona-Strategie. »Wir bleiben im Team Umsicht und Vorsicht«, sagte Schwarz. Sein CDU-Kollege sagte, es gebe kein Schema F, mit dem man das Virus aus der Welt schaffen könne: »Wir müssen auch immer bereit sein, den eingeschlagenen Weg auch zu korrigieren.« (dpa)