STUTTGART. In diesen Tagen schlüpfen in den Nestern, die die jungen Königinnen der Asiatischen Hornissen gebaut haben, die ersten Arbeiterinnen – auch in der Region Stuttgart. Zwar hat diese invasive Art, die rund zwei Zentimeter lang wird, ihren Verbreitungsschwerpunkt innerhalb Baden-Württembergs weiter rund um Mannheim und Karlsruhe. Aber auch in der Region Stuttgart sind im vergangenen Jahr rund 30 Nester gefunden worden, landesweit waren es 1469. Dieses Jahr sind es laut den Zahlen der Landesanstalt für Umwelt bisher drei Nester bei Schwieberdingen, Scharnhausen und Neckartenzlingen. Die deutlich gefährlichere Riesenhornisse mit einer Körperlänge von mehr als fünf Zentimetern kommt in Europa dagegen nicht vor.
Über die Asiatische Hornisse kursieren sehr unterschiedliche Geschichten – wie gefährlich ist sie wirklich? Ein Blick etwa in die neueste Ausgabe der »Bienenpflege«, der Mitgliederzeitung des Landesverbandes Württembergischer Imker, zeigt die Spannbreite der Meinungen: In einem Artikel ist von »einem massiven Eingriff in die heimische Insektenfauna« die Rede, in einem zweiten Beitrag spricht der Autor von »Schauermärchen« und »hysterischer Verarbeitung«. Was gilt nun? Die Wahrheit ist: Ganz Genaues weiß man nicht.
Weniger aggressiv als Wespen
Die größte Bedeutung für den Menschen hat zunächst die Frage, ob die Stiche der Asiatischen Hornisse ernsthafte Folgen haben können. Martin Klatt vom Nabu Baden-Württemberg betont, dass weder die heimische Europäische Hornisse noch die Asiatische Hornisse eine Gefahr für den Menschen darstelle. Das Gift dieser Hornissen sei vergleichbar mit dem von Bienen und Wespen. Auch Claudia Hailfinger, die Sprecherin des Umweltministeriums sieht das so: »Die Asiatische Hornisse ist sogar weniger aggressiv gegenüber Menschen als etwa Wespen.« Nur in Nestnähe ist sie auf Attacke getrimmt. Der BUND ergänzt, zu Lebensgefahr würden bei der Europäischen Hornisse erst 500 bis 1.000 Stiche auf einmal führen.
Frank Neumann, der beim Staatlichen Untersuchungsamt in Aulendorf die Bienengesundheit im Land überwacht, berichtet allerdings von allergischen Reaktionen bei rund zehn professionellen Helfern, die im vergangenen Jahr Nester der Asiatischen Hornisse beseitigt haben. Diese Helfer seien sonst nicht allergisch gegen Bienenstiche gewesen. Vermutlich haben sie aber mehrere Stiche abbekommen. Carolin Rein, die am Institut für Bienenkunde an der Universität Hohenheim mit der Kontrolle und Bekämpfung der Asiatischen Hornisse beauftragt ist, sagte in einem Vortrag, dass 75 Prozent aller allergischen Reaktionen, die in einer Klinik behandelt werden mussten, von der Asiatischen Hornisse ausgehen würden. Ein Problem ist, dass diese Art Nester manchmal auch in Hecken oder Sträuchern im Garten anlegt – beim Schneiden kann es dann zu ungewollten schmerzhaften Begegnungen kommen.
Und stimmt es nun, dass die Asiatische Hornisse so viele Honigbienen wegfrisst, dass Völker zusammenbrechen? Korrekt ist, dass in einem Nest der Asiatischen Hornisse bis zu 2.000 Tiere leben können, während es bei heimischen Arten etwa 700 sind. Gerade im Herbst, wenn viel Brut da ist, die mit Protein versorgt werden muss, haben asiatische Hornissen einen hohen Futterbedarf. Sie fangen Käfer, Raupen, Fliegen – oder Honigbienen. Zudem zieht ein Volk im Herbst bis zu 350 Jungköniginnen heran, während es bei den europäischen Hornissen nur ein Zehntel ist – die Ausbreitung geht also schnell und die Zahl der Individuen ist hoch. Leben Bienen in der Nähe eines Nestes, können diese zur leichten Beute werden.
Doch konkret gebe es weiter keine sicheren Nachweise, dass Bienenvölker wegen der Asiatischen Hornisse zugrunde gegangen seien, betont Neumann. Das betont auch das Landwirtschaftsministerium: »Bisher konnten Schäden an Bienenvölkern nicht direkt und alleinig auf die Präsenz der Asiatischen Hornisse zurückgeführt werden«, so Sprecher Jonas Esterl. Trotzdem sehen die Imker und auch die Landesanstalt für Bienenkunde die Asiatische Hornisse als potenzielle Bedrohung an. Laut Carolin Rein würden die Honigbienen auch nicht mehr ausfliegen, wenn manchmal Dutzende von Hornissen vor dem Flugloch lauerten. Dann drohten Futtermangel und Tod. Patrick Schooler sieht vor allem Jungvölker in Gefahr, da sich diese wegen der deutlich geringeren Volksstärke schlechter verteidigen könnten. Sein Rat an die Imker: nur sehr starke Jungvölker mit drei oder mehr Brutwaben bilden und im Herbst Absperrgitter mit weniger als 5,5 Millimeter Maschenweite am Flugloch anbringen – dann könnten die Hornissen zumindest nicht in den Stock eindringen.
Mögliche Ernteeinbußen
Ein Problem könnte die Asiatische Hornisse auch für die Landwirte werden. Denn die erwachsenen Tiere ernähren sich von Nektar, Obst, Weintrauben und Baumsäften. Es gibt offenbar Meldungen aus Spanien, Portugal und Frankreich, dass dort die Ernteeinbußen bis zu zwölf Prozent betragen hätten. Im Südwesten sind bisher laut Landwirtschaftsministerium keine Schäden bekannt. »Wir nehmen die Situation aber sehr ernst«, betont Minister Peter Hauk (CDU).
Was die Ausbreitung der Asiatischen Hornisse für einheimische Insektenarten bedeutet, ist ebenfalls noch nicht erforscht. Nabu-Insektenexpertin Laura Breitkreuz befürchtet aber Schlimmes: »Die Asiatische Hornisse ist ein Paradebeispiel dafür, wie eingeschleppte Arten heimische Ökosysteme gefährden können. Weil die Völker der Asiatischen Hornisse besonders groß sind, kann sie lokal Bestände massiv dezimieren.« Die Tiere eines Nestes würden pro Jahr rund elf Kilo an Insektenmasse vertilgen – das entspricht mehr als 100.000 Honigbienen, also rund drei Völkern. Claudia Hailfinger vom Umweltministerium sieht die Lage nicht ganz so kritisch: Der Naturschutzverwaltung lägen bisher keine Erkenntnisse vor, dass ein Schaden an der Biodiversität drohe.
Das Land hat der Landesanstalt für Bienenkunde die Koordination für die Kontrolle und Bekämpfung der Asiatischen Hornisse übergeben. Da die Art jetzt als etabliert gilt, werden Nester nur noch dort entfernt, wo der lokale Druck besonders hoch ist. Das Institut bearbeitet alle Meldungen und beauftragt die Entfernungen. Daneben testet die Einrichtung Fallen im Freiland. Wer das Insekt oder ein Nest sichtet, sollte sich bei der Landesanstalt für Umwelt melden. (GEA)
DARAN ERKENNT MAN DIE ASIATISCHE HORNISSE
Merkmale: Die Asiatische Hornisse hat rotbraune Beinchen und ein ganz schwarzes Brustsegment (auf lateinisch heißt diese Art Vespa velutina nigrathorax); nur das äußerste Ende des Hinterleibs ist gelb und orange. Die Europäische Hornisse ist etwas größer und hat einen rotbraunen Brust- und einen vorwiegend gelben Hinterleib mit schmalen schwarzen Binden und Punkten. Lebensweise: Die Asiatische Hornisse baut im Laufe eines Sommers oft drei Nester an verschiedenen Standorten, viele von diesen hängen hoch in Bäumen. Unterschiede: Während bei den Honigbienen das ganze Volk überwintert, sterben bei der Asiatischen Hornisse alle Arbeiterinnen und auch die Königin im Spätherbst oder Winter ab. Nur die jungen Königinnen überwintern und fangen im Frühjahr allein mit dem Bau eines neuen Nestes an. (fal)