REUTLINGEN. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag bezeichnet sich auf GEA-Nachfrage als Kapitän seiner Fraktion und Diplomat innerhalb der grün-schwarzen Koalition. Die jetzige Koalition hat seit immerhin fast zehn Jahren Bestand. Der Kirchheimer über Erfolge, die kommende Landtagswahl, Pläne seiner Partei für Baden-Württemberg und die finanzielle Schieflage der Kommunen.
GEA: Herr Schwarz, nach bald zehn Jahren gemeinsamen Regierens, wie erfolgreich war die grün-schwarze Koalition im Land?
Andreas Schwarz: Ich möchte den Blick etwas weiter zurück richten, ins Jahr 2011: Nachdem wir damals die Wahl gewonnen hatten, mussten wir erst einmal die Fenster öffnen und kräftig durchlüften. Denn vor uns gab es einen Ministerpräsidenten Mappus, der die Polizei angewiesen hatte, gegen demonstrierende Schülerinnen und Schüler vorzugehen, der am Parlament vorbei EnBW-Aktien gekauft hatte und sich dafür vor dem Staatsgerichtshof verantworten musste. Wir haben Baden-Württemberg seither liberaler, weltoffener, innovativer und moderner gemacht. Wir haben in frühkindliche Bildung investiert und neue Elemente wie die Gemeinschaftsschule etabliert. Wir haben eine Photovoltaik-Offensive gestartet. Und wir haben für junge Menschen ein Jugendticket in Baden-Württemberg eingeführt. Wir sind das einzige Bundesland, in dem Jugendliche ab 16 Jahren wählen und auch für den Gemeinderat kandidieren dürfen. Unterm Strich: Wir haben sehr viel dafür getan, dieses Land ökologischer und sozial gerechter zu machen.
Eine Regierungspartei wird vor einer Wahl daran gemessen, was sie erreicht hat. Sie haben gerade aus Ihrer Sicht Erfolge aufgezählt. Unsere Wirtschaft stottert momentan aber gewaltig. Für die Grünen im Land wird die kommende Landtagswahl daher sicher nicht einfach werden. Oder sehen Sie das anders?
Schwarz: Ich sehe für uns Grüne gute Chancen. Wir haben mit Cem Özdemir eine Person, die in Baden-Württemberg Land und Leute wie kein anderer kennt. In Bad Urach geboren, kennt er den Mittelstand und die Unternehmen, er weiß, was für Forschung und Entwicklung notwendig ist. Das werden wir im Landtagswahlkampf in den Vordergrund stellen. Wir werden den Menschen ein Wohlstandsversprechen geben und ihnen sagen: Wir kümmern uns um die Jobs der Zukunft. Wir sorgen dafür, dass weiter in Forschung und Entwicklung investiert wird. Als Regierungspartei stellen wir immer die Interessen des Landes an oberste Stelle – und wir liefern. Das muss jetzt auch die CDU in Berlin. Aktuelles Beispiel: Der Bund hat im Straßenbau erst mal gekürzt. Ein wichtiges Autobahnprojekt in Baden-Württemberg, der Albaufstieg der A8, sollte wegfallen. Auf Druck von uns und aus dem ganzen Land ist der A8-Albaufstieg jetzt wieder ins Bauprogramm der Autobahngesellschaft aufgenommen worden.
»Wir werden den Menschen ein Wohlstandsversprechen geben und ihnen sagen: Wir kümmern uns um die Jobs der Zukunft «
Das Wahlprogramm Ihrer Partei soll im Dezember verabschiedet werden. Können Sie uns vorab schon ein paar Eckpunkte daraus nennen?
Schwarz: Unser Wahlprogramm wird ein Angebot an die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land sein, wie wir Baden-Württemberg in eine gute Zukunft führen. Es ist eine Art Zukunftsversprechen, das sagt: Wir sichern Wohlstand und Arbeitsplätze hier im Land, bauen Forschung und Entwicklung aus, stellen die Bildung der Kinder noch stärker in den Mittelpunkt. Wir sorgen für eine moderne Infrastruktur und dafür, dass das Land für die Bürger gut funktioniert. Wie das alles konkret aussieht, erarbeiten wir momentan. Doch so viel steht fest: Wir machen keine Politik mit Überschriften, sondern mit klaren Konzepten, die aufzeigen, wie wir dieses Land voranbringen.
In den letzten Monaten geisterte des Öfteren das Wort Deutschlandkoalition durch die Parteienlandschaft im Südwesten, also ein Bündnis aus CDU, SPD und FDP. Wie groß ist Ihre Sorge, dass sich die CDU nach der kommenden Landtagswahl nach anderen Koalitionspartnern umsieht?
Schwarz: Glücklicherweise sind bei uns - anders als bei unseren Nachbarn in Frankreich - Koalitionen über die politischen Lager hinweg möglich. Wir regieren so, dass es gute Ergebnisse gibt. Als Grüne haben wir fünf Jahre mit den Sozialdemokraten koaliert, seit neuneinhalb Jahren regieren wir mit der CDU - und es funktioniert. Ich nehme im Land keine Wechselstimmung wahr. Ja, ich sehe, dass Hagel und Rülke zusammen wandern gehen. Aber da bin ich total entspannt, denn ich bin mit dem Rennrad unterwegs. Und da bin ich eh schneller am Ziel.

Sie haben es selbst vorhin angesprochen, das Wahlalter im Südwesten wurde auf 16 Jahre herabgesetzt. Werden die Grünen davon bei der kommenden Wahl profitieren können?
Schwarz: Das werden wir erst nach der Wahl wissen. Es ist aber ein Ansporn für uns, uns noch intensiver um Erstwählerinnen und Erstwähler zu kümmern. Ich glaube, es ist wichtig, dass Politiker dorthin gehen, wo junge Leute sind. Vor Kurzem haben wir in Heidelberg einen Jugenddialog veranstaltet. Ein wichtiges Thema, das uns die Jugendlichen mitgegeben haben: bezahlbarer Wohnraum. Für mich ist das noch mal ein Ansporn, dass wir verstärkt in die Wohnraumförderung investieren. Denn gerade in den Hochschulstädten, und dazu gehören auch Reutlingen und Tübingen, ist Wohnraum Mangelware. Deshalb brauchen wir auch eine funktionierende Mietpreisbremse bei uns.
»Ja, ich sehe, dass Hagel und Rülke zusammen wandern gehen. Aber da bin ich total entspannt, denn ich bin mit dem Rennrad unterwegs «
Hätten Sie nicht schon in den letzten Jahren die Möglichkeit gehabt, hier mehr zu tun?
Schwarz: Tatsächlich haben wir die Wohnraumförderungsmittel Jahr für Jahr deutlich erhöht. Als Thomas Poreski und ich 2011 in den Landtag kamen, waren die Mittel bei gerade mal 50 Millionen Euro pro Jahr. Im aktuellen Doppelhaushalt sind wir bei einer Milliarde Euro Wohnraumfördermittel. Wir haben das Baurecht flexibilisiert. Und wir haben eine Genehmigungsfiktion eingeführt, das heißt: Ist ein Bauantrag nach drei Monaten nicht bearbeitet, gilt er automatisch als genehmigt. Außerdem haben wir es leichter gemacht, Gebäude umzubauen oder aufzustocken.
Kommen wir zurück zur aktuellen Politik und zu den Themen Finanzkrise der Kommunen und Bildungspolitik. Der Gmünder CDU-Oberbürgermeister Richard Arnold hat kürzlich vorgeschlagen, aus Gründen der Finanznot der Kommunen, Schülerinnen und Schüler ihre Klassenzimmer künftig selbst putzen zu lassen. Ihre Parteifreundin und Kultusministerin Theresa Schopper fand ebenfalls Gefallen an der Idee. Wie stehen Sie dazu?
Schwarz: Davon halte ich nichts. Die Schule ist dazu da, dass Schülerinnen und Schüler lernen, und das sollen sie mit Spaß und Freude tun. Ist doch klar, dass man mit dem Mobiliar und mit dem Equipment sorgfältig umgehen muss. Die allermeisten Schülerinnen und Schüler machen das auch. Und wenn es mal einen »Saubär« gibt, dann muss der seine Sauerei aufräumen. Natürlich sehen wir die finanzielle Situation, in der sich unsere Städte und Gemeinden befinden. Daher bieten wir ihnen ein großes Unterstützungspaket an. Darüber habe ich vergangene Woche mit den Spitzen der kommunalen Landesverbände verhandelt. Wir wollen eine stärkere Unterstützung für die Kommunen beim Ganztagsausbau und auch eine höhere Zuweisung im kommunalen Finanzausgleich. Denn wir merken, dass momentan vielen Städten und Gemeinden die Finanzierung wegbricht. Wenn man sieht, wie viele Aufgaben sie haben, und dann schaut, was sie aus dem Steueraufkommen erhalten, dann stimmt die Relation nicht mehr. Die Kommunen brauchen ein größeres Stück vom Kuchen der Steuereinnahmen. Deswegen fordern wir, dass die Gemeinschaftssteuern anders verteilt werden und dass die Kommunen einen höheren Anteil aus dem Umsatzsteueraufkommen bekommen.
»Wir werden den Kommunen zwei Drittel des Sondervermögens weitergeben, damit sie Schulgebäude modernisieren und ihre Infrastruktur up to date halten können «
Die Finanznot der Kommunen im Land ist teilweise tatsächlich dramatisch. Eine Forderung der Kommunalverbände ist, dass der Löwenanteil des Sondervermögens aus dem Bund an die Kommunen weitergegeben wird. Was wird hier passieren?
Schwarz: Wir werden den Kommunen zwei Drittel des Sondervermögens weitergeben, damit sie insbesondere Schulgebäude modernisieren und ihre Infrastruktur up to date halten können. Auch der Öffentliche Nahverkehr muss funktionieren. Das Land selbst braucht aber auch Mittel - etwa um Hochschulen und Universitäten auf Vordermann zu bringen und um Straßen und Brücken zu sanieren. Zwei Drittel zu einem Drittel ist aus unserer Sicht eine vernünftige Regelung.
Zur Person
Andreas Schwarz (Jahrgang 1979) ist in Nürtingen geboren, seine Heimat seit Kindheitstagen ist Kirchheim/Teck. Seit 2011 ist der Wirtschaftsjurist Abgeordneter der Grünen im Landtag von Baden-Württemberg, seit 2016 Grünen-Fraktionsvorsitzender. Bei der letzten Landtagswahl gewann Schwarz mit 33,1 % der Stimmen erneut das Direktmandat in seinem Kirchheimer Wahlkreis. Schwarz ist verheiratet und hat eine Tochter. Er gilt als leidenschaftlicher Rennradfahrer und Bergwanderer. (kali)
Sie hatten im Eingangsgespräch gesagt, Sie hätten etwas Konkretes für die Schulen im Gepäck. Es fiel das Wort Schulbauförderung. Was hat es damit auf sich?
Schwarz: Als Land unterstützen wir die Kommunen bei der Sanierung oder beim Neubau von Schulgebäuden. Wenn auf eine Schule besonders viele Kinder und Jugendliche aus dem Umland gehen, erhält die bauende Kommune eine zusätzliche Förderung. Es gab immer wieder Diskussionen, ob und wie sich die Umlandgemeinden an den Baukostenbeteiligen sollen. Deshalb erhöhen wir seit diesem Jahr den Zuschlag für auswärtige Schüler. Damit entlasten wir die Schulträger und sorgen dafür, dass sich Nachbarkommunen nicht um die Schulbaufinanzierung zu streiten brauchen. Allerdings können offene ältere Projekte nicht von der Neuregelung profitieren. Deshalb bringen wir gemeinsam mit der CDU ein Fraktionsgesetz ein, mit dem wir in solchen Altfällen den Schulstandortgemeinden unter die Arme greifen. Die Mittel dafür sind im aktuellen Haushalt berücksichtigt. Wir wollen ein einvernehmliches Miteinander der Kommunen. Am Ende geht es doch darum, dass die Schülerinnen und Schüler gut funktionierende Schulgebäude bekommen. (GEA)

