KONSTANZ. Das frisch gemähte Gras wirbelt auf, als der Zeppelin NT auf dem Konstanzer Flugplatz landet. Geschmeidig und im langsamen Sinkflug hat Pilotin Katharine Board das 75 Meter lange und 17 Meter hohe Luftschiff zurück auf die Erde gebracht. Auf der Startbahn warten 14 Passagiere darauf, dass sie einsteigen dürfen. Sie wirken wie Winzlinge vor dem riesigen Zeppelin.
Alles ist fein austariert. Schließlich soll der Zeppelin, bei dem das NT für Neue Technologie steht, nicht aus dem Gleichgewicht kommen. Das Bodenpersonal schleppt eine Gangway zur hinteren Tür des Luftschiffs und hält sie fest. Das erste Paar der gelandeten Fluggäste steigt aus. Danach darf das erste Paar der neuen Gruppe über die kleine Treppe hochklettern. Und so geht es immer fort. »Zwei rein, zwei raus!«, lautet die Anweisung von Flugbegleiterin Manuela Saumweber. Nach ein paar Minuten sind alle 14 neuen Fluggäste an Bord.
Minky Schweizer und ihre Kollegen Jan Schumacher und Thomas Bernshausen sorgen im Tower des Flugplatzes dafür, dass während des Zeppelin-Aufenthalts keine anderen Flugzeuge starten oder landen. Das Trio bildet an diesem sonnigen Tag die Flugleitung. Ein Privatflieger meldet sich über Funk bei Minky Schweizer. Die 53-Jährige teilt ihm mit: »Lande zwischen der vollen und der halben Stunde. Danach brauchen wir das Zeitfenster für den Zeppelin.«
Und der hebt jetzt ab. Sanft steigt das Luftschiff empor und erreicht rasch seine 300 Meter Flughöhe. Der Ausblick ist überwältigend. Schnell sehen wir den Damm zur Insel Reichenau und das Wollmatinger Ried. Erst von hier oben erkennt man, welche Ausmaße das 767 Hektar große Natur- und Naturschutzgebiet mit seinen Riedflächen, Streuwiesen und Auwäldern hat. Die Reichenau wirkt klein dagegen. Weiter geht es bei strahlendem Sonnenschein entlang des Untersees Richtung Stein am Rhein. Das Wasser des Bodensees glitzert, als wir das schweizerische Steckborn passieren. Auf der gegenüberliegenden Seite präsentiert sich der Yachthafen von Gaienhofen mit seinen schmucken weißen Booten, dem Schloss, der Evangelischen Schule samt Sportplatz und der Melanchthonkirche wie auf dem Reißbrett.
Ein Höhepunkt der Fahrt ist Stein am Rhein. Über der historischen Altstadt, der Brücke über den Rhein und den drei Werd-Inseln dreht Katharine Board zwei Runden, um dann wieder Kurs auf Konstanz zu nehmen. Angelika Braumann, die mit ihrem Mann ganz vorne im Zeppelin sitzt, kommt ins Schwärmen: »Es ist wunderschön, ein ganz tolles Erlebnis«, sagt sie. Und empfindet die Fahrt »viel ruhiger, als ich erwartet habe«. Die 54-Jährige aus Konstanz meint: »Es wäre eine schöne Art zu reisen. Viel schöner als im Flugzeug.« Ähnlich muss es auch der Pilotin Board gehen. »Ich habe anfangs gedacht, ich mache das ein, zwei Jahre.« Nun aber sitzt sie seit 1998 im Cockpit des Zeppelin NT und hat gut 6500 Flugstunden auf dem Buckel. »Das ist ein toller Arbeitsplatz. Und an Bord sind immer glückliche Leute.«
Ebenfalls dabei ist Frank Hoyler, der seinen Freund Werner Faulhaber begleitet und sein Geburtstagsgeschenk einlöst. Für den 61-Jährigen, der aus Tübingen stammt, fühlt es sich an »wie auf dem Schiff«. Hoyler meint: »Es schaukelt leicht hin und her.« Dem Genuss tut es keinen Abbruch. Werner Faulhaber (51) sagt am Ende: »Es ist einfach nur begeisternd!«
Drei Hotels in Konstanz feiern ihr 150-Jahr-Jubiläum
Dass die Zeppelin-Fahrten in Konstanz an diesem Sommertag zustande gekommen sind, ist einem Jubiläum zu verdanken. Eric Thiel, Geschäftsführer von Konstanz Marketing, erklärt: »Ausgangsidee war es, den Zeppelin zum 150. Geburtstag des Steigenberger Inselhotels, dem Geburtsort von Graf Zeppelin, nach Konstanz zu holen.« 2024 feiern nämlich gleich drei Hotels in Konstanz ihr 150-Jahr-Jubiläum: neben dem Inselhotel noch die Hotels Halm und Barbarossa. Grund für den Hotel-Boom im ausgehenden 19. Jahrhundert war der Bau der Eisenbahn im Jahr 1863. Davor war eine Reise an den Bodensee beschwerlich. Mit der Bahn aber kamen auch die Touristen an den See. Richtige Hotelbauten gab es vor 1870 nicht.
Derweil dreht Katharine Board über dem Konstanzer Bahnhof bei und biegt Richtung Flugplatz ab. Die Landung steht bevor, und die ist wie beim Flugzeug »nicht so leicht«, sagt die 49-Jährige. »Am Boden muss ich mich auch sehr konzentrieren«, erklärt sie. Das Helium sorgt für Auftrieb, mit den drei Front- und Heckantrieben muss sie das ausgleichen. Doch sie bringt das Luftschiff souverän und wie in Zeitlupe nach unten. Sanft setzt der NT auf, und es wirbelt erneut Gras auf.
Ob auch künftig Zeppeline in der Geburtsstadt des Grafen aufsteigen, steht derweil in den Sternen. Heimat-Standort der Werft ist bekanntlich Friedrichshafen. In Konstanz dagegen ist der Flugplatz relativ schmal. Aber zumindest der Tag des Jubiläumsflugs hat gezeigt, dass es »bei schönem und windstillem Wetter kein Problem ist«, sagt Eric Thiel. »Dieses Mal war es ein Pilotprojekt. Im August wird besprochen, ob und wie es weitergeht.«
www.zeppelinflug.de, www.konstanz-info.com
Zeppelin Neue Technologie
Am 18. September 1997, knapp 100 Jahre nach dem Erstaufstieg von LZ1 von Ferdinand Graf Zeppelin, startete in Friedrichshafen der Zeppelin NT zu seinem Jungfernflug. Der NT verfügt über eine starre Innenstruktur, hat ein Volumen von 8425 Quadratmetern und ist gefüllt mit Helium. Er ist ausgestattet mit drei schwenkbaren Propellern mit jeweils 200 PS. Der NT kann vertikal starten und landen. Seine Hülle wiegt ca. eine Tonne. Die Kabine unter der Tragstruktur fasst 14 Passagiere. (fs)