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Aktuell Migration

Flüchtlinge sollen Bargeld abgeben

Wahlkampfmanöver oder ernsthafte Vorschläge? Justizministerin Gentges (CDU) will Asylrecht verschärfen

Justizministerin Marion Gentges (CDU) will sich Dänemark zum Vorbild nehmen.  FOTO: SCHMIDT/DPA
Justizministerin Marion Gentges (CDU) will sich Dänemark zum Vorbild nehmen. FOTO: SCHMIDT/DPA
Justizministerin Marion Gentges (CDU) will sich Dänemark zum Vorbild nehmen. FOTO: SCHMIDT/DPA

STUTTGART. Müssen sich Flüchtlinge in Baden-Württemberg künftig auf eine Einbehaltung von Geld und Wertsachen bei ihrer Ankunft einstellen, um einen Teil der Verfahrenskosten zu begleichen? Die Migrations- und Justizministerin Marion Gentges (CDU) und ihr Staatssekretär Siegfried Lorek hatten sich kürzlich im Rahmen einer Delegationsreise in Dänemark über die dortige Asylpolitik informiert. Nun schlug Gentges vor, sich die Politik Kopenhagens zum Vorbild zu nehmen, um auch bei uns die Flüchtlingszahlen zu senken. Den Asylbewerbern Wertgegenstände abzunehmen, ist nur einer der daraus resultierenden Vorschläge. Doch an den Äußerungen der Ministerin gibt es Kritik.

- Was macht Dänemark bei der Asylpolitik anders?

Dänemark gilt als liberal, modern und als Land mit einer sehr hohen Lebensqualität. Doch in Hinblick auf die Migrationspolitik zeigt sich das Land restriktiv. Seit Jahren verschärft der Staat die Ausländergesetze. »Null Asylanträge« sei das Ziel, so formulierte es die dänische Regierung vor einigen Jahren. Die Begründung: Zuwanderung gefährde den dänischen Wohlfahrtsstaat.

Die wohl strengste Einwanderungspolitik Europas wird ausgerechnet von einer sozialdemokratischen Regierung umgesetzt. Die Parteichefin der Sozialdemokraten Mette Frederiksen verordnete ihrer Partei 2015 einen neuen Kurs. Er sollte den starken rechtsnationalen Parteien im Land Stimmen abnehmen. Dänemark setzt seither in Sachen Migration auf Abschreckung.

- Was will sich Justizministerin Gentges von Dänemark abschauen?

Auch das baden-württembergische Justizministerium will bei der Migration verstärkt auf Abschreckung setzen. Asylbewerbern sollen etwa Wertgegenstände abgenommen werden. »Wir haben eine Rechtsgrundlage, mit der wir Bargeld und Wertgegenstände beschlagnahmen können. Diese Praxis wollen wir auf alle Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg ausweiten. 200 Euro dürfen die Asylbewerber behalten. Das darüber hinausgehende Geld darf für die Kosten der Verfahren verwendet werden«, sagte Gentges vor Kurzem der F.A.Z. Ihr Justizstaatssekretär Siegfried Lorek (CDU) sagte in diesem Zusammenhang, man müsse dies klar kommunizieren. Er sei überzeugt, wenn sich das herumspreche, würden die Zugangszahlen sinken.

Gentges möchte außerdem prüfen lassen, ob der Rechtsweg bei einem abgelehnten Bescheid verkürzt werden könne. Während in Dänemark nur ein Widerspruch gegen einen abgelehnten Asylantrag möglich ist, können Asylbewerber in Deutschland ihrer Ablehnung bis zu vier Mal widersprechen.

Und noch ein weiterer Punkt wird diskutiert: Die Justizministerin hält es für überlegenswert, ausreisewilligen Asylbewerbern eine höhere Rückkehrprämie zu bezahlen. In Dänemark werde nicht straffällig gewordenen Rückkehrwilligen bis zu 3.500 Euro ausgehändigt.

- Sind die Beispiele aus Dänemark bei uns überhaupt umsetzbar?

Das dänische Vorbild in Deutschland umzusetzen, ist kompliziert. Dänemark hat sich bei seinem Beitritt zur Europäischen Union ein sogenanntes Opt-out für bestimmte Bereiche vorbehalten. Unter anderem ist Dänemark in der Asylpolitik nicht an EU-Recht gebunden. Damit gelten die Asylverfahrens-Richtlinie und die Anerkennungs-Richtlinie der Europäischen Union in Dänemark nicht und der Staat kann eigene, teilweise strengere Regelungen aufstellen. Würde Deutschland ähnlich vorgehen wollen, müssten die EU-Verträge geändert werden, wozu die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nötig ist.

Etwas anders sieht es bei den rechtlichen Rahmenbedingungen aus, um Asylbewerbern bei ihrer Ankunft Geld und Wertgegenstände abzunehmen. Diese gibt es bereits, sie werden etwa im Ankunftszentrum Heidelberg und nur für die Untersuchung zur Feststellung der Identität umgesetzt.

- Gibt es Kritik an den Plänen?

Kritik gibt es vor allem von Flüchtlingsorganisationen, wie etwa dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg. Deren Geschäftstellenleiterin Anja Bartel sagte zur Beschlagnahmung von Wertgegenständen: »Viele fliehenden Menschen haben bei ihrer Ankunft in Deutschland kaum mehr als ihre Kleidung am Leib.« Laut Bartels seien die Behörden schon vor Jahren zu dem Schluss gekommen, dass ein Großteil der geflüchteten Menschen nicht über erwähnenswerte Mittel verfügten, die eingezogen werden könnten.

Auch von den Grünen kam Kritik. »Der Vorstoß, dänische Methoden zu kopieren, ist nichts anderes als durchsichtige Wahlkampftaktik«, sagte der migrationspolitische Sprecher und Landtagsabgeordnete der Partei, Daniel Lede Abal im Interview mit dem SWR. Im Wahlkampf stelle die CDU ständig neue »populistische Forderungen«. Worauf es bei der Migration jetzt ankomme, sei bestehende Regelungen auch wirklich anzuwenden. (GEA)