Die Coronajahre haben nicht nur in den Seelen, sondern auch bei der Fitness von Kindern ihre Spuren hinterlassen, und ein Ende des Negativtrends ist bisher nicht in Sicht. Kinder seien deutlich langsamer und deutlich weniger ausdauernd als vor der Pandemie, geht aus den Daten des am Mittwoch veröffentlichten Fitnessbarometers 2023 der Kinderturnstiftung Baden-Württemberg hervor. Damit verstetigen sich die Erkenntnisse aus den Pandemiejahren insgesamt, sagte Professor Klaus Bös, der gemeinsam mit der Stiftung und einem Forscherteam um Claudia Niessner vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) jährlich das Fitnessbarometer erstellt.
Zwar seien die Kinder im Südwesten - an den Motorik-Tests nahmen seit Beginn der Erhebungen im Jahr 2012 über 30.300 Kinder zwischen drei und zehn Jahren in Kitas, Grundschulen und Sportvereinen teil - immer noch fitter als der bundesweite Durchschnitt. »Das war aber schon mal mehr«, sagte Bös. »Das Fitness-Niveau ist gleichbleibend niedrig.« Der Fitness-Gesamtwert der Coronajahre 2019 bis 2021 sei im Vergleich zu den Daten zwischen 2012 und 2019 um 2,4 Prozent eingebrochen.
Bös betonte aber wie auch im vergangenen Jahr erneut, dass es sich bei den Erkenntnissen zunächst noch um eine Momentaufnahme handele. Erst im kommenden Jahr und wenn sich die Datenbasis weiter stabilisiert habe, werde man feststellen, ob sich aus einem vorübergehenden Einbruch der körperlichen Fitness-Verfassung von Kindern ein dauerhafter »Corona-Knick« entwickele - oder lediglich eine »Delle«, die man auch wieder beheben könne. »Leider sieht es bisher so aus, als ob wir einen 'Corona-Knick' bekommen werden«, sagte Bös. »Da kommen wir dann nicht mehr so leicht heraus.«
Besonders mau sieht es aktuell bei Ausdauer und Schnelligkeit aus, auch mit Koordination und Beweglichkeit steht es den Erkenntnissen der Forscher zufolge nicht gut. Nur in puncto Kraft hätten sich die Werte, ähnlich wie schon 2021, nicht verschlechtert. »Es gab während der Pandemie viele kleinräumige Aktivitäten«, sagte Bös: Also etwa Krafttraining im Zimmer oder Sport vor dem Bildschirm.
Geografisch betrachtet war es - etwa wegen der mangelnden Bewegungsmöglichkeiten im Grünen - vor allem um die Fitness von in Städten lebenden Kindern schlecht bestellt. Dort sei der Einbruch bei der Sportlichkeit am größten, sagt Bös. Aber auch im ländlichen Raum gebe es einen Abfall, den sich die Forscher noch nicht so recht erklären können.
Das Fitnessbarometer wird seit 2012 erstellt. Dafür wird untersucht, wie die Kinder bei verschiedenen motorischen Tests abschneiden. Betrachtet wird etwa, wie schnell Kinder bei einem 20-Meter-Lauf oder wie ausdauernd bei einem 6-Minuten-Lauf sie sind. Während Corona waren die Möglichkeiten zu solchen Tests wegen geschlossener Sport- und Schuleinrichtungen deutlich begrenzt: 2020 konnten nur 934 Kinder und 2021 nur 1538 Kinder im Südwesten getestet werden. Im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung in die Sache kam erst wieder 2022 mit 5000 motorisch getesteten Kindern. »Wir haben deshalb die Daten aus diesen Jahren gebündelt«, sagte Bös.
Für ihn ist klar: »Wir müssten mehr tun für unsere Kinder, aber wir tun es nicht«, sagt er. Für Probleme in diesem Bereich - Bös nannte zu große Klassen, schlechte Lesekompetenzen, Probleme bei der Integration von geflüchteten Kindern und eben auch die mangelnde Sportlichkeit wegen fehlender Bewegungsmöglichkeiten - sei Corona nur eine Zusatzerklärung. »Wir müssten schlicht mehr Geld in die Hand nehmen«, sagte er. »Denn fitte Kinder sind gesunde Kinder.«
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