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Finanzminister Bayaz in Reutlingen: Grünen-Politiker mit Wirtschafts-Kenntnis

Finanzminister Danyal Bayaz will investieren, sogar in Rüstung. Auch privat gibt der Stuttgarter sich liberal: Seine Söhne dürfen lieben, wen sie wollen - außer den FC Bayern.

Finanzminister Danyal Bayaz (Zweiter von links) und Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg zu Besuch in Reutlingen. Auf der Achalm w
Finanzminister Danyal Bayaz (Zweiter von links) und Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg zu Besuch in Reutlingen. Auf der Achalm werden sie empfangen von den Familienunternehmern, vertreten durch Robin Morgenstern (links) und Rainer Knauer. Foto: Steffen Schanz/GEA
Finanzminister Danyal Bayaz (Zweiter von links) und Landtagsabgeordnete Cindy Holmberg zu Besuch in Reutlingen. Auf der Achalm werden sie empfangen von den Familienunternehmern, vertreten durch Robin Morgenstern (links) und Rainer Knauer.
Foto: Steffen Schanz/GEA

REUTLINGEN. Danyal Bayaz ist ein glücklicher Mensch. Schließlich profitiert auch der baden-württembergische Finanzminister vom Berliner Geldsegen. In der Hauptstadt hat der Bundestag einen Billionen-Kredit für Verteidigung und Infrastruktur beschlossen. Wo er seine Milliarden investieren will, das weiß Bayaz schon. Auch dass sein Land dem Finanzpaket am Freitag im Bundesrat zustimmen wird. Trotzdem beklagt der Grünen-Politiker ein »Störgefühl«. Warum, das erklärt er beim Treffen der Reutlinger Familienunternehmer auf der Achalm.

Bayaz ist ein smarter Typ: energiegeladen, schlagfertig, locker. So einen würde man vielleicht bei der FDP vermuten. Aber bei den Grünen? Anfangs spricht nicht viel für die Umweltpartei. Bayaz wird 1983 in Heidelberg geboren. Die Mutter Deutsche, der Vater Türke, beide tätig in der Medienbranche. »Ich stamme aus einem politischen Haushalt«, erzählt Bayaz. »Meine Eltern waren konservativ.«

Wirtschaftsliberale Ansichten

Der junge Bayaz tritt in die elterlichen Fußstapfen, geht an die Universität Stuttgart-Hohenheim, studiert Kommunikationswissenschaft und promoviert über Finanzmärkte. Danach arbeitet er als Unternehmensberater für die internationale Boston Consulting Group. Bis heute vertritt er wirtschaftsliberale Ansichten. »Ich bin Anhänger der sozialen Marktwirtschaft«, betont er. Aber: »Der Staat muss Kernaufgaben erfüllen, der Bürger Verantwortung übernehmen.« Für den Einzelnen heißt das: weniger politische Geschenke, mehr eigene Leistung. »Wir haben eine Anspruchshaltung entwickelt«, kritisiert Bayaz. Private Verluste durch Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg und Energie-Inflation hat der Staat aufgefangen. Stattdessen fordert Bayaz: »Wir brauchen eine mentale Zeitenwende.«

Wie Bayaz mit dieser Haltung bei den Grünen landen konnte, erklärt er auf Nachfrage von Moderator Rainer Knauer: »Ich wollte nicht dasselbe wie meine Eltern machen. Ich wollte etwas Eigenes machen.« Darum verglich er Parteien. Überzeugt hat ihn ein Ausspruch von Fritz Kuhn. Der frühere Oberbürgermeister von Stuttgart wollte »mit grünen Ideen schwarze Zahlen schreiben«. Diese Kombination aus ökologischem Herz und wirtschaftlichem Verstand macht die Südwest-Grünen aus und Baden-Württemberg stark, meint Bayaz. »Hier habe ich meine politische Heimat gefunden.«

Seine geografische Heimat dagegen teilt Bayaz auf zwischen Stuttgart und München. Dort lebt der 41-Jährige mit seiner Ehefrau Katharina Schulze. Sie ist Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag. Das Powerpaar hat zwei gemeinsame Söhne. Auch gesellschaftlich gibt VfB-Stuttgart-Anhänger Bayaz sich liberal: »Meine Söhne dürfen arbeiten, was sie wollen. Und lieben, wen sie wollen. Nur eines dürfen sie nicht werden: FC-Bayern-Fans.«

Grünen-Politiker mit Wirtschafts-Kenntnis

Die private Grünen-Allianz besiegelt Bayaz im Jahr 2022 mit der Heirat. Die öffentliche Verbindung schließt er bereits 2005 mit dem Parteieintritt. 2017 zieht er als Abgeordneter für Bruchsal-Schwetzingen in den Berliner Bundestag ein. Von dort beruft ihn Ministerpräsident Winfried Kretschmann 2021 in die baden-württembergische Landesregierung. Das Argument: Als Grünen-Politiker mit Wirtschafts-Kenntnis ist Bayaz prädestiniert für das Amt des Finanzministers.

Seitdem kämpft Bayaz mit Hilfspaketen, Förderprogrammen und Schuldenbergen. Entsprechend nervös macht ihn das Billionen-Paket, das die künftige Große Koalition gerade durchs Parlament peitscht. Geplant ist eine Aufweichung der Schuldenbremse: Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit oberhalb von einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) sollen bis zu beliebiger Höhe mittels Krediten finanziert werden. Für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität wird ein – ebenfalls kreditfinanziertes – Sondervermögen mit 500 Milliarden Euro aufgelegt.

Geld für moderne Drohnen

Die Investitionsoffensive der GroKo findet Bayaz richtig, Deutschland hat Nachholbedarf. »Die Friedensdividende haben wir verfrühstückt«, kritisiert er. »Wettrüsten, Energiepreise und US-Zölle treffen uns hart.« Darum sind kluge Investitionen in Klimatechnik, Schulen und Schienen dringend nötig. So weit, so grün. Eher ungrün, weil unpazifistisch: Auch für Waffen will Bayaz Geld ausgeben. »Aber nicht für klassische Panzer, sondern für moderne Drohnen und KI-Systeme.« In der neuerdings geforderten Wehrfähigkeit erkennt Bayaz eine »Chance für Baden-Württemberg«: »Die Rüstungsindustrie könnte auffangen, was in der Autoindustrie wegbricht.« Bayaz ist Realpolitiker, er denkt in Wertschöpfung, Arbeitsplätzen und Steuerabgaben. Sorge bereitet ihm, dass die GroKo das Geld womöglich nicht in Zukunftsinvestitionen steckt, sondern in Konsumausgaben. »Sich mit Geschenken gesellschaftliche Zustimmung erkauft«, wie er sagt. »Erst die Reform, dann das Geld«, lautet dagegen Bayaz’ Devise. Kanzler in spe Friedrich Merz hält es umgekehrt. »Jetzt muss er liefern«, fordert Bayaz.

Lieferprobleme bei sich selbst sieht Bayaz nicht. Baden-Württemberg steckt 5,7 Prozent des BIP in Forschung und Entwicklung, Deutschland insgesamt nur 3 Prozent. »Wir müssen Kapital schlagen aus dem, was wir haben: Brainpower«, findet Bayaz. Darum unterstützt das Land Schwerpunkt-Regionen mit Medizintechnik, Biotechnologie und Künstlicher Intelligenz. Baden-Württemberg zukunftsfit machen will Bayaz auch weiterhin. Am liebsten als Finanzminister. Bei der nächsten Landtagswahl am 8. März 2026 will er seinen Posten verteidigen. Sollte das nicht klappen, könnte der Pragmatiker sich auch mit einem Wechsel zurück in die Wirtschaft anfreunden. (GEA)