Die FDP hat die Grünen zu einem politischen Neuanfang in einer Südwest-Ampel noch vor dem Sommer aufgerufen. »Verlassen Sie diese Koalition, die sowieso wie Mehltau bräsig dahindümpelt«, sagte FDP-Landesvorsitzender Michael Theurer beim Landesparteitag in Fellbach (Rems-Murr-Kreis) am Donnerstag. »Wir sollten nicht weitere drei Jahre für dieses Land vergeuden.« Die Grünen hätten jetzt noch die Möglichkeit, mit der FDP eine Ampel zu bilden. Im Sommer allerdings schließe sich dieses Zeitfenster, sagte Theurer der Deutschen Presse-Agentur. Dann werde die Zeit zu knapp, damit sich ein Bündnis aus Grünen, FDP und SPD im Südwesten noch profilieren und Erfolge vorweisen könne vor der Landtagswahl 2026.
Theurer warb mit dem Tempo des Ampelbündnisses im Bund, etwa bei den LNG-Terminals zur Gasversorgung, die innerhalb von sechs Monaten einsatzbereit gemacht wurden. So sehr Theurer die Grünen umgarnte, so sehr kritisierte er die Union in Bund und Land. Die Bundes-CDU sei zum Beispiel verantwortlich für eine marode Infrastruktur. Zielscheibe der Kritik der Liberalen war außerdem CDU-Landeschef und Innenminister Thomas Strobl. Sie warfen ihm vor, trotz eines vergangenen Strafverfahrens wegen eines weitergegebenen Anwaltsschreibens noch nicht zurückgetreten zu sein. »Dieser Minister ist erklärtermaßen ein Sicherheitsrisiko«, sagte Landesfraktionschef Hans-Ulrich Rülke.
Rund 400 Delegierte berieten auf dem Parteitag über den politischen Kurs für das neue Jahr. Zu den zentralen Themen der Veranstaltung gehörten Energie, Infrastruktur und Bildung. Die FDP setzt sich für einen Weiterbetrieb von Atomkraftwerken ein, um die Energieversorgung zu sichern. »In einem vernünftigen Energiemix ist es sinnvoll und notwendig, dass die Kernkraftwerke, die wir haben, weiter laufen«, sagte Theurer. Fraktionschef Rülke forderte: »Wir müssen so schnell wie möglich Brennelemente beschaffen.« Diese müssten drei Jahre lang genutzt werden, so dass es notwendig sei, Atomkraftwerke bis zum Jahr 2026 zu betreiben. Über einen entsprechenden Antrag des Kreisverbands Rhein-Neckar sollte auf dem Parteitag beraten werden.
Die drei letzten deutschen Atomkraftwerke laufen wegen der aktuellen Energiekrise nach der Entscheidung der Bundesregierung noch bis zum 15. April 2023. Die Liberalen pochen auf längere Laufzeiten. Ein längerer Betrieb des Werks Neckarwestheim 2 hätte aus Sicht der Betreiberin EnBW allerdings längst beschlossen werden müssen, um ihn technisch umsetzen zu können.
Außerdem forderten Theurer und Rülke die Investition in klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe für Verbrennungsmotoren, sogenannte E-Fuels. Man solle hier »auf Vorwärtsgang schalten«, plädierte Landeschef Theurer. »Der Verbrennungsmotor hat eine Zukunft, wenn er klimaneutral ist«.
Fraktionsvorsitzende Rülke kritisierte, dass Baden-Württemberg ein »Bildungsabsteiger« sei. Auch Landeschef Theurer bemängelte, dass 20 Prozent aller Viertklässler nicht richtig lesen und schreiben könnten. »Wir brauchen eine Kurskorrektur der missglückten grün-schwarzen Politik.«
Die Delegierten beschlossen auf Vorschlag der Fraktion einen Antrag zu einer Wahlrechtsreform, wonach die Zahl der Wahlkreise in Baden-Württemberg reduziert werden soll, um einer »Aufblähung des Landtags« entgegenzuwirken. Ziel sei es, Geld zu sparen. Denn durch weniger Wahlkreise gebe es weniger Direktmandate und damit weniger Abgeordnete im Landtag. »Wer das Geld des Steuerzahlers sparen will, der kommt nicht umhin, die Zahl der Wahlkreis zu reduzieren«, sagte Fraktionschef Rülke. Die FDP will Bürgerinnen und Bürger über diese Frage in einem Volksentscheid abstimmen lassen, wenn der Reformvorschlag im Parlament abgelehnt werden sollte.
Neben inhaltlichen Anträgen beschäftigte sich die FDP auch mit Satzungsänderungen. Die Delegierten entschieden sich mit großer Mehrheit gegen eine Verkleinerung der FDP-Parteitage von 400 auf 300 Delegierte.
Tagesordnung des Landesparteitags
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