Die Erdbeben dürften demnach wahrscheinlich zu den 20 tödlichsten Erdbeben weltweit seit 1900 gehören, teilte das KIT mit. Schon 11 der 100 tödlichsten Erdbeben seitdem hätten sich in der Türkei ereignet.
Gerade die Region um die Stadt Antakya, die früher Antiochia hieß, sei in der Vergangenheit öfter von schweren Beben betroffen gewesen. »Dieses Gebiet ist geologisch sehr instabil«, erklärte Schäfer. Hier träfen drei tektonische Platten aufeinander. Das letzte ähnlich starke und zerstörerische Beben habe an ähnlicher Stelle im Jahr 1114 stattgefunden. »Damit konnten sich über 900 Jahre lang Spannungen an den Plattengrenzen aufbauen, die sich jetzt entladen haben«, erläuterte der Experte.
Ähnliches lasse sich über die südlich angrenzende Störungszone des Toten Meeres sagen, in der sich ebenfalls zuletzt im 12. Jahrhundert mehrere sehr schwere Erdbeben ereigneten. »Es ist absehbar, dass diese Verwerfung erneut brechen wird und schwere Schäden von Aleppo bis nach Jerusalem anrichten könnte - je nachdem, welcher Abschnitt der Störungszone seine Energie freisetzt«, teilte Schäfer mit. Unklar sei nur, wann es so weit ist. Das lasse sich nicht vorhersagen.
Eine Gruppe des Centers for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) am KIT hat jetzt mit der Risklayer GmbH, einer Ausgründung aus der Universität, einen ersten Schadensbericht zu den Erdbeben vorgelegt. Demnach dürfte der Sachschaden infolge der Beben mehr als zehn Milliarden US-Dollar betragen.
In der Nacht auf den 7. Februar hatte es den Fachleuten zufolge neben zwei Haupterdbeben mehr als 270 Nachbeben mit einer Stärke von mindestens 4,0 gegeben. »Viele dieser Beben führten zu weiteren Schäden, da viele Gebäude bereits durch eines der beiden Hauptbeben vorgeschädigt waren«, heißt es in dem Bericht. »Nachbeben können über Wochen, Monate und sogar Jahre andauern. Sie nehmen jedoch an Häufigkeit ab je länger das Hauptbeben zurückliegt.«
Das CEDIM ist eine interdisziplinäre Einrichtung des KIT und forscht zu Katastrophen, Risiken und Sicherheit. Zuletzt hatte die Forschungsgruppe im Jahr 2021 einen Bericht zum Hochwasser in Mitteleuropa - unter anderem in Deutschland im Ahrtal - vorgelegt.
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