BURLADINGEN. »Da macht man sich Gedanken darüber, ob man überhaupt noch gebraucht wird.« Es sind Worte, die man von Wolfgang Grupp nicht erwartet hätte – von dem Mann, der über 50 Jahre lang Trigema führte, der für Disziplin, Pflichterfüllung und Verantwortung steht. Fast zehn Tage lang wusste die Öffentlichkeit über ihn zuletzt nur: Der ehemalige Chef des Burladinger Unternehmens liegt im Krankenhaus. Es kursierten Gerüchte, Spekulationen, Fragen. Jetzt hat sich der 83-Jährige selbst zu Wort gemeldet – mit einem bewegenden Brief an seine ehemaligen Mitarbeiter. Darin schreibt er überraschend offen über seinen Suizidversuch. Und über die Krankheit, die ihn dazu veranlasst hat.
»Ich bin im 84. Lebensjahr und leide an sogenannten Altersdepressionen. (...) Ich habe deswegen auch versucht, mein Leben zu beenden«, schreibt Grupp in seinem Brief, welcher der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Ihm gehe es den Umständen entsprechend gut, sein Dank gelte allen Ärzten, Rettungs- und Pflegekräften, schreibt Grupp in dem Brief. »Es kann etwas länger dauern, bis ich wieder ganz gesund bin. Da macht man sich Gedanken, ob man noch gebraucht wird.« Er bedauere sehr, was geschehen sei und würde es gerne ungeschehen machen. »Ich habe versucht, mein ganzes Leben in den Dienst von Trigema und den Kampf für die Interessen der Wirtschaft und des Mittelstandes zu stellen«. 1969 übernahm Grupp die von seinem Großvater gegründete Firma. Mit eiserner Hand führte er den Hersteller von Wäsche, Freizeit- und Sportbekleidung aus den roten Zahlen. Auch durch kultige Werbespots und zahlreiche Talkshowauftritte wurde er einer der schillerndsten Unternehmer Deutschlands. Anfang 2024 hatte Grupp die Geschäftsführung an seine Kinder Wolfgang jr. und Bonita abgegeben. Er selbst, so sagte man, wolle kürzertreten. Der Rückzug aus der Firma fiel ihm wohl schwerer als gedacht.
Klinikaufenthalt seit Tagen
Vor zehn Tagen war bekanntgeworden, dass sich Grupp in einem Krankenhaus befindet. Trigema hatte den Gesundheitszustand von Grupp senior nur einmal kurz nach Bekanntwerden des Klinikaufenthalts kommentiert. Es gehe ihm altersentsprechend gut, hieß es damals. Weitere Angaben hatte eine Sprecherin seitdem nicht gemacht. Auch bei einer GEA-Anfrage am Donnerstag wurde darauf verwiesen, dass man »zu gegebener Zeit« wieder kommunizieren werde. Kurz darauf wurde Grupps Brief veröffentlicht.
»Leider kann ich mich jetzt erst äußern«, heißt es darin. Er bedankte sich für die zahlreichen Genesungswünsche. Diese gab es drei Tage zuvor auch zuhauf unter einem Video, dass Trigema auf Instagram und Youtube gepostet hatte. Es handelte sich um einen Rückblick auf den Tag der offenen Tür am 5. Juli, bei dem der Ex-Chef Gäste begrüßte, für Fotos posierte und Fragen von Besuchern beantwortete. Zwei Tage danach war bekanntgeworden, dass sich Grupp senior in einem Krankenhaus befindet. »Ich hoffe, es gibt bald mal Klarheit, was mit eurem (ehemaligen) Chef ist«, kommentierte ein Follower. In Medienberichten hieß es, dass auch Trigema-Mitarbeiter nicht mehr wüssten als in den zahlreichen Artikeln stand.
Rätselraten und Spekulationen
In der Öffentlichkeit wurde gerätselt – mehrere Medien spekulierten, Grupp habe sich eine Schussverletzung zugefügt. Der 83-Jährige ist nicht nur einer der bekanntesten Unternehmerpersönlichkeiten Deutschlands, sondern zugleich leidenschaftlicher Hobby-Jäger.
Unabhängig von dem Unternehmen hatte die Polizei damals einen Einsatz in Burladingen bestätigt – dem Wohnort Grupps. Demnach wurde ein Verletzter aus einer Privatwohnung mit dem Rettungshubschrauber in die Klinik gebracht. Die Polizei wollte keine Details nennen. Beamte seien vor Ort gewesen und hätten keine Fremdbeteiligung und keine Straftat festgestellt. Es gebe daher auch keinen Anlass für Ermittlungen.
Wenn Sie selbst depressiv sind, Selbstmordgedanken haben, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 08001110111 oder 08001110222 erhalten Sie rund Hilfe von Beratern, die Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen. Für Kinder und Jugendliche gibt es die Nummer gegen Kummer: 116111. Diese ist von Montag bis Freitag zwischen 14 und 20 Uhr erreichbar. In akuten Notfällen können Sie sich direkt an den ärztlichen Notdienst (116 117) oder den Rettungsdienst (112) wenden. (GEA)
Mit seinem Brief will Grupp senior nich nur über seinen Gesundheitszustand informieren, sondern auch andere für die oft tabuisierte Krankheit Altersdepression sensibilisieren. »Meine Bitte an alle, die an Depressionen leiden: Suchen Sie sich professionelle Hilfe und begeben sie sich in Behandlung.« Während seines Klinikaufenthalts hat Grupp wohl viel Zeit gehabt, nachzudenken. »Ich weiß, dass ich oft unbequem war, aber ich bin auch dankbar für das, was ich erreichen und erleben durfte«, schreibt er jetzt.
An die Mitarbeiter gerichtet macht Grupp klar: »Ich bin mir sicher, dass meine Kinder Trigema verantwortungsvoll in einer erfolgreiche uns sichere Zukunft führen werden.« Mitarbeiter, Kunden und auch »unser ganzes Umfeld« bittet er darum, sie dabei zu unterstützen und ihnen ihr Vertrauen zu schenken. »Ich bin sehr stolz auf meine Frau und meine Kinder.« Es sieht so aus als sei er bereit, sich auf sein neues Leben einzulassen. (GEA/dpa)

