In Schramberg lässt ein Mann seinen auf über 300 PS aufgemotzten Sportwagen vor einem Imbiss aufheulen, in Meckenbeuren dreht ein 17-Jähriger mit driftenden Hinterreifen am Bahnhofsplatz seine Runden und liefert sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei. Und in Lahr lässt sich ein Motorradfahrer auf dem Hinterrad fahrend filmen und wird von der Polizei erwischt. Alles andere als Einzelfälle: Im Kampf gegen illegales Tuning sind allein in diesem Frühjahr und Sommer in Baden-Württemberg 12.400 sogenannte Autoposer kontrolliert und Hunderte von teils kostspielig manipulierten Wagen beschlagnahmt oder sichergestellt worden.
Zwischen März und Oktober wurden 4131 Verstöße registriert, wie das Innenministerium am Dienstag mitteilte. In 967 Fällen war die Fahrt vorzeitig beendet, Autos wurden vielfach eingezogen. »Viele Poser und Tuner mussten nach Kontrollen den Heimweg zu Fuß antreten«, hieß es in Stuttgart weiter.
Mit dem Begriff »Poser« bezeichnen die Behörden Autofahrer, die mit aufheulenden Motoren an belebten Plätzen vorbeirollen, um mit ihren oft manipulierten Wagen zu posieren. Die baden-württembergische Polizei geht seit Jahren gegen Fahrer vor, die auf diesem Weg und mit aufgemotzten Fahrzeugen Aufmerksamkeit erregen wollen. Vor allem in Mannheim gelten sie als Phänomen. Eigens dazu wurde 2016 eine Polizei-Ermittlungsgruppe gegründet.
»Motorleistung und Hirnleistung stehen zuweilen in einer erschreckenden Disproportionalität«, kritisierte Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Szene. »Und wenn ein schwaches Hirn ein PS-starkes Auto steuert, ist das oft keine gute Kombination.« Riskante Fahrmanöver oder übertriebenes Beschleunigen seien gefährlich und absolut unnötig. Ein solches Imponiergehabe habe auf den Straßen in Baden-Württemberg nichts verloren.
Tiefer müssen die Motorräder und Autos der Poser- und Tuningszene sein, breiter, vermeintlich schöner, lauter und schneller auch. Laut Innenministerium wurde in diesem Jahr in mehr als zwei von drei kontrollierten Fällen (knapp 69 Prozent) das Auto technisch verändert oder manipuliert. Dies seien besonders sicherheitsrelevante Verstöße, warnte das Ministerium. »Das Erkennen und rechtssichere Vorgehen bei derartigen Manipulationen und technischen Veränderungen erfordert Spezialwissen«, sagte ein Ministeriumssprecher. Deshalb tauschten Spezialisten aller Polizeipräsidien und Experten der Hochschule für Polizei seit dem vergangenen Jahr in einem neuen »Kompetenzteam« Erfahrungen aus. Unter anderem sollen Konzepte der örtlichen Polizei verbessert und gemeinsame Kontrollen organisiert werden.
Nach den Erfahrungen der Polizei handelt es sich beim Autoposing nicht um eine landesweite Szene, sondern um mehrere regionale und bisweilen auch überregionale Gruppen. Beliebt sei vor allem das unnötige Hin- und Herfahren, das 110 Mal geahndet wurde, sowie die Lärm- und Abgasbelästigung. Sie wurde 596 Mal angezeigt.
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