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Erst Corona, dann die Preise: Wohnungslose stärker in Not

Für Menschen ohne Wohnsitz hat die Corona-Pandemie das Leben noch härter gemacht, als es bereits ist. Kaum gehen die Ansteckungszahlen zurück, werden die Betroffenen von einer neuen Krise unter Druck gesetzt: Alles wird teurer, auch das Wohnen. Das hat Folgen.

Schlafplatz in der Innenstadt
Eine Person liegt in der Innenstadt unter einem Schlafsack. Foto: Marijan Murat
Eine Person liegt in der Innenstadt unter einem Schlafsack.
Foto: Marijan Murat

Die steigenden Preise und die zugespitzte Lage am Wohnungsmarkt haben die Zahl der Menschen ohne Wohnung und in Wohnungsnot in Baden-Württemberg auf den höchsten Stand seit mindestens drei Jahrzehnten getrieben. »Noch nie waren mehr Bürgerinnen und Bürger auf die Hilfe der Träger der Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe angewiesen«, teilte der Dachverband von Wohlfahrtsverbänden wie der Caritas und dem Paritätischen Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart mit. Bereits die Corona-Pandemie habe diese Gruppe mit Wucht getroffen. Die Kosten für Strom, Gas und den täglichen Bedarf setzten die Menschen nun noch weiter unter Druck.

Angesichts der steigenden Zahl von Menschen ohne Dach über dem Kopf und in Wohnungsnot muss aus Sicht der Wohlfahrtsverbände gezielt Wohnraum geschaffen werden. Die Lage am Wohnungsmarkt werde für wohnungslose Menschen zunehmend dramatisch. »Der Zugang in Wohnraum bleibt ihnen in den meisten Fällen verwehrt«, hieß es. Betroffene fühlten sich häufig ohnmächtig und resignierten.

Für den Notfall jedoch brauche es zudem ein flächendeckend gut ausgebautes Hilfsangebot, forderte Simon Näckel, der Sprecher des Liga-Unterausschuss Wohnungslosen- und Straffälligenhilfe. »In Baden-Württemberg gibt es noch zu viele weiße Flecken auf der Landkarte«, sagte Näckel. »Wir benötigen ein niedrigschwelliges Basisangebot im ganzen Land, um Menschen in Wohnungsnot schnell und unbürokratisch zu helfen.« Die Landesregierung, aber auch die Stadt- und Landkreise müssten ihrer Verantwortung für die Situation von wohnungslosen Menschen nachkommen, forderte die Liga bei der Vorlage der sogenannten Stichtagserhebung weiter. Sie wurde zum 31. Mal zusammengestellt.

Laut Liga sind die 350 Dienste und Einrichtungen der öffentlichen und der freien Wohlfahrtspflege im Jahr 2022 von 12 413 Menschen um Hilfe gebeten worden, im Jahr zuvor waren es 11 619. Die Schätzung geht auf die Stichtagserhebung vom vergangenen September zurück. Dabei wurden die Menschen gezählt, die sich an einem bestimmten Tag in einer sozialen Hilfseinrichtung aufhielten, die vor längstens 30 Tagen Kontakt zur Einrichtung gesucht hatten oder die am Stichtag noch betreut wurden.

Demnach waren die meisten Hilfesuchenden in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr Männer (70,9 Prozent), die Gruppe der 25- bis 49-Jährigen machte zudem mit 46,1 Prozent den größten Anteil aus. 9,3 Prozent aller gezählten Personen (1149 Menschen) waren unter 25 Jahre alt. Die Altersgruppe der über 50-Jährigen steigt stetig an, sie nahm auch im vergangenen Jahr zu und beträgt nun 43 Prozent (5334) der betroffenen Menschen. Der demografische Wandel und die zunehmende Anzahl Älterer in Deutschland beträfen auch immer mehr Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen, hieß es bei der Liga zur Erklärung.

Nach Angaben der Liga hatten 3655 Menschen keinen eigenen oder einen geeigneten Wohnraum. Das sind 322 mehr als im Jahr zuvor, die am Stichtag 30. September in einer prekären Notversorgung, also in Not- oder Behelfsunterkünften, bei Bekannten oder ohne Dach über dem Kopf auf der Straße leben mussten.

Die elf in der Liga organisierten Verbände sind nach eigenen Angaben die größten Anbieter von Diensten und Leistungen der sozialen Arbeit in Baden-Württemberg. Sie vertreten mehr als 390.000 Beschäftigte in rund 10.000 Einrichtungen und Diensten.

© dpa-infocom, dpa:230213-99-582064/5