STUTTGART. Wer in einem deutschen Hotel übernachtete, musste bisher beim Check-in einen Zettel handschriftlich mit den eigenen Meldedaten ausfüllen oder zumindest unterschreiben. Diese Pflicht wurde nun durch Beschlüsse des Bundestags und des Bundesrats zum 1. Januar 2025 abgeschafft, aber eben nur teilweise. Denn es gilt nicht für alle Gäste. Sieht so ein gelungener Bürokratieabbau aus?
Jein, sagt Daniel Ohl vom deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Baden-Württemberg. »Es ist eine Entlastung und man kann viel Papier einsparen«, so sein Fazit. »Aber es ist kein großer Befreiungsschlag!« Denn ausländische Gäste müssen auch weiterhin am Tag der Ankunft einen besonderen Meldeschein von Hand unterschreiben. Und sie müssen zusätzlich bei der Anmeldung einen gültigen Pass vorlegen, um sich ausweisen zu können. Der Meldeschein muss dann zwölf Monate vom Beherbergungsbetrieb aufbewahrt und spätestens nach drei weiteren Monaten vernichtet oder gelöscht werden. Dazu sind die Vertragsstaaten und somit auch die Hoteliers aufgrund von Artikel 45 des Schengener Durchführungsübereinkommens verpflichtet.
»Es ist eine Entlastung, aber kein Befreiungs-schlag«
Damit nicht genug. Zwar sind laut Dehoga-Sprecher Ohl in Baden-Württemberg drei Viertel der Gäste Inländer. Wer aber als Deutscher in einem Heilbäder- oder Kurort übernachtet, ist verpflichtet, einen Beitrag zur Kurabgabe zu leisten. Dieser wird über das Hotel einkassiert. Deshalb müssen die Gastgeber hier weiterhin die Gastdaten erheben. Dies passiert in den meisten Fällen noch auf Papier, denn zwischen den Betrieben und den Kurverwaltungen »liegt oft noch keine digitale Schnittstelle zur Datenübermittlung vor«, beklagt Ohl. Martin Zöllick, Dehoga-Bundesvorsitzender, ist mit seinem Hotel Neptun in Warnemünde einer der betroffenen Hoteliers. »In unserem Hotel können wir die Vereinfachung aktuell noch nicht umsetzen«, sagt er im Interview mit der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ). Berücksichtige man, dass 42 Prozent der inländischen Übernachtungen auf Heilbäder, Kur- und Tourismusorte entfielen, »könnte der Entlastungsbetrag in der Praxis letztlich doch deutlich niedriger ausfallen«, so Zöllick. Denn in den Heilbädern sind sogar mehr als 90 Prozent aller Gäste Inländer.
In den Hotels muss künftig also streng nach inländischen und ausländischen Gästen unterschieden werden. Und bei den inländischen Gästen wiederum nach Kururlaubern und Nicht-Kurenden. »Unsere Idealvorstellung wäre ein komplett digitales Verfahren gewesen – und zwar für Inländer und Ausländer«, betont der Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands Deutschland (IHA), Markus Luthe. Die Nachbarländer hätten ein solches Verfahren, in Deutschland aber sei es »nicht an den Start gekommen«. Ohl sieht noch ein weiteres Problem. »Die Abfrage an der Rezeption, ob jemand ein Inländer oder Ausländer ist, kann durchaus auch für Unmut bei den Gästen sorgen.« Luthe weiß: »Das ist nicht in unserer DNA, Gäste unterschiedlich zu behandeln!«
»Das ist nicht unsere DNA, Gäste unterschiedlich zu behandeln!«
Wobei für den Dehoga-Sprecher aus dem Südwesten eine Einzelmaßnahme an sich noch kein Bürokratiemonster ausmacht, »sondern die Summe der Vorschriften«. Allein der Dehoga-Landesverband Baden-Württemberg habe mehr als 80 belastende Gesetze, Vorschriften und Dokumentationspflichten an die Landesregierung gemeldet, »die für unsere Mitglieder zu einer ungeheuerlichen Last geworden sind«. Hoffnung machte dem Dehoga die im Sommer 2023 vom Staatsministerium gegründete Entlastungsallianz für Baden-Württemberg, die den Bürokratieabbau voranbringen soll. Passiert ist laut Dehoga seither allerdings: »nichts!«.
Einige Kostenproben gefällig? Als »ein wunderbares Beispiel von Bürokratie-Wahnsinn« führt der Dehoga an: Gastronomen mussten den Aushang des Jugendschutzgesetzes erneuern. Grund dafür und somit die einzige Änderung auf dem Blatt war ein neues Datum. Ein weiterer Fall: Wer öffentliche Flächen für die Außengastronomie nutzen möchte, muss einen Antrag auf Sondernutzung stellen. Die Bewilligung wird auf ein Jahr befristet. Sprich: Auch wenn alles gleich bleibt, muss der Betrieb jedes Jahr aufs Neue einen Antrag stellen und zudem auch noch jedes Jahr wieder eine Gebühr dafür bezahlen.
Und auch beim Stichwort Bio sieht der Dehoga Handlungsbedarf. Wer Bio auf die Speisekarte schreiben möchte, muss laut der Bio-Außer-Haus-Verpflegung-Verordnung zertifiziert werden. Wer nun aber nur ab und zu ein Bio-Weidelamm vom benachbarten Bauernhof anbieten möchte, wird laut Dehoga kein teures und aufwendiges Zertifizierungsverfahren durchlaufen wollen. Aus Sicht des Dehoga führt »der Bürokratie-Wahnsinn vielmehr dazu, dass noch weniger Betriebe Bio anbieten«.
Auch so manche baurechtlichen Vorschriften sind für Ohl »eine Plage«. Selbst wenn jemand den Betrieb der Eltern übernimmt, werde das Gebäude nochmals überprüft. »Das ist unnötig, zieht das Verfahren in die Länge und treibt die Konzessionsgebühren in die Höhe«, heißt es beim Verband. Und noch etwas treibt den Dehoga in Baden-Württemberg um. »Die Abschaffung von Tanz- und Musikverboten an Feiertagen würde auch helfen, jede Menge Ausnahmeanträge zu vermeiden.« »Warum«, so fragt Ohl, »braucht Baden-Württemberg die rigidesten Sperrzeiten aller Bundesländer?«
Mit aller Kraft stemmt sich die bayerische Dehoga-Präsidentin Angela Inselkammer gegen den Trend des »stillen Wirtshaussterbens«. Andernfalls drohten US-Verhältnisse mit wenig hochpreisigen Sternerestaurants in Ballungszentren und viel Systemgastronomie im Umland. Inselkammer: »Die Rückkehr zu sieben Prozent Umsatzsteuer auf Speisen muss in den Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung!«
Zudem brauche es »mehr Flexibilität durch die Einführung einer Wochenarbeitszeit, so wie es die EU vorsieht«. Ferner steht auch für sie außer Frage, dass bürokratische Auflagen reduziert werden müssen, »um einen Regulierungsinfarkt zu vermeiden«. Bei Daniel Ohl finden all diese Forderungen ebenfalls Zustimmung. »Das ist ein Anliegen des Dehoga insgesamt.« (GEA)