STUTTGART. Bei manchem war Bedauern herauszuhören: Das Fazit der Fußball-EM 2024 ließ so manchen Stadtrat ins Grübeln geraten, der eine Bewerbung für die Frauen-EM 2029 vor wenigen Wochen abgelehnt hatte. Mal ganz abgesehen davon, dass es Stuttgart schmückt und viele Stuttgarter freut, Großveranstaltungen bringen die Stadt finanziell voran und sorgen für mehr Lebensqualität. Das zeigen die im Gemeinderat präsentierten Zahlen. Wir dröseln auf.
- Die Daten
In Stuttgart waren fünf Fußballspiele, der Höhepunkt am 5. Juli mit dem Viertelfinale zwischen Spanien und Deutschland. Insgesamt waren 255.000 Besucher in den Stadien. 900.000 Menschen waren in den vier Fanzonen auf dem Schlossplatz, Karlsplatz, Schillerplatz und Marktplatz unterwegs. Das Schweizer Nationalteam hatte seine Basis während der EM im Waldhotel.
- Das Geld
Das Budget in Stuttgart betrug 38,4 Millionen Euro für die Organisation. Die Wertschöpfung summiert sich auf 411 Millionen Euro. Dies ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Bundes. Die Wertschöpfung für Deutschland beträgt 7,4 Milliarden Euro, bei Ausgaben von rund 333 Millionen Euro.
- Die Ausgaben
Für die Studie wurden die Ausgaben in den vier Fanzonen erhoben: 12,4 Millionen Euro gaben die Besucher für Essen und Trinken aus, 400.000 Euro für die Anreise. Die Stadionbesucher gaben 17 Millionen Euro aus. 5,3 Millionen Euro für die Unterkunft. 3,4 Millionen Euro für Essen und Trinken in der Stadt, 4,5 Millionen Euro für Essen und Trinken im Stadion. Sonstige Ausgaben waren 3,8 Millionen Euro. Bars und Restaurants profitierten mit bis zu 35 Prozent mehr Umsatz. Supermärkte mit circa 10 Prozent mehr. Verlierer waren an den Spieltagen die Bekleidungsgeschäfte, ihr Umsatz sank. Wohl weil potenzielle Käufer lieber zu Hause blieben und die Innenstadt den Fans gehörte.
- Die Stadionbesucher
Von den 255.000 Fußballfans im Stadion kam ein starkes Drittel aus Stuttgart, ein Drittel aus Deutschland außerhalb der Region und ein Drittel war aus dem Ausland angereist. Knapp die Hälfte der Fußballbegeisterten war erstmals in der schwäbischen Landeshauptstadt. Die auswärtigen Stadionbesucher gaben 15,6 Millionen Euro aus, die einheimischen 1,4 Millionen Euro.
- Die Touristen
Hier zeigen sich am deutlichsten die Einflüsse einer großen Sportveranstaltung. Die Übernachtungen im Juni sind um 25 Prozent auf 413.000 gestiegen. Bei Gästen aus dem Inland um 8,2 Prozent, bei Gästen aus dem Ausland sogar um 64,4 Prozent auf 162.000. Zudem blieben die Gäste statt sonst nur 1,8 Tage deutlich länger. Die deutschen Gäste 2,7 Tage, die ausländischen 3,13 Tage. Wenig überraschend waren dabei Menschen aus jenen Nationen, deren Mannschaften hier spielten. Dänemark, Ukraine, Ungarn, Slowenien, Belgien und die Schotten. »Das waren Menschen aus Ländern, die sonst nicht unsere Zielmärkte sind«, sagt Andrea Gehrlach von Stuttgart-Marketing. Die Dänen etwa umfahren Stuttgart meist. Nun waren sie zu Tausenden da – und kommen wieder, so die Hoffnung. Oder erzählen davon.
- Die Zufriedenheit
Man hat Besucher gefragt, wie es ihnen denn gefallen habe. Dabei kam heraus: Offenbar haben sich die Stadt und die Stuttgarter von ihrer besten Seite gezeigt. 92,6 Prozent fanden, die Stuttgarter waren gastfreundlich, 93,4 Prozent fanden die Stimmung gut. Deutsche waren zu 92,4 Prozent mit ihrem Besuch zufrieden, Ausländer gar zu 93,6 Prozent. 70,5 Prozent der Deutschen wollen wiederkommen, 34 Prozent der Ausländer. Was vor allem damit zu tun hat, dass die Anreise komplizierter ist. 53 Prozent der Ausländer werden ihren Freunden eine Reise nach Stuttgart empfehlen und 70,7 Prozent der Deutschen.
- Der Vergleich
Wie sieht es aus im Vergleich mit den anderen neun Gastgeberstädten? Sowohl bei Übernachtungen als auch Ausgaben profitierte Stuttgart mit Köln, Frankfurt, München und Düsseldorf am meisten. Was auch mit den Schotten zu tun hatte, die ganz anders als ihr Ruf und sehr spendabel waren. In Hamburg sanken sogar die Übernachtungszahlen. Was damit zu tun hat, dass andere Touristen die Stadt wegen der EM mieden.
- Die Außenwirkung
Die ganze Stadt ein Stadion. Der Stuttgarter Kessel kam ganz groß raus bei diesem Fußball-Spektakel. Aber hat man das auch außerhalb Stuttgarts registriert? Ausgerechnet hat man, dass die EM Werbemaßnahmen im Wert von knapp 37 Millionen Euro gebracht hat. Die Marke Stuttgart sei mehr als 90 Stunden in TV und Streaming präsent gewesen, bei den Bildern aus dem Stadion, den Fanzonen oder beim Besuch des Morgenmagazins. Über soziale Netzwerke erreichte man 89 Millionen Menschen.
- Der Schirm
Die Möbel auf den Plätzen, die Fußballplätze, der Schirm über dem Marktplatz: alles innig geliebt – und verschwunden. Der Fußballplatz ist auf dem Kleinen Schlossplatz wieder aufgetaucht, und für den Schirm gibt es Hoffnung. Man möchte einen neuen besorgen, doch die Mühlen mahlen langsam.
- Der Müll
Rund um die Uhr haben 225 Mitarbeiter der Abfallwirtschaft geschafft, um die Stadt während der vier Wochen EM vom Müll zu befreien. Hinter den Fanmärschen sind sie hergelaufen. Und es gab sogar eine Ausnahmegenehmigung für die Kehrmaschinen, dass sie des Nachts noch fahren durften. Die Europameisterschaft war also eine rundum saubere Sache. (GEA)