Dass viele Fußball-Fans Karabach Agdam immer noch nicht richtig auf dem Schirm haben, kann Christian Streich nicht verstehen. »Da kommt eine Mannschaft, die jedes Jahr Europa League oder Champions League spielt. Einige kriegen das offensichtlich nicht mit - komischerweise«, sagte der Trainer des SC Freiburg einen Tag vor dem Duell mit dem aserbaidschanischen Meister am Donnerstag (21.00 Uhr/RTL). Über Spieler mit »richtigen Fähigkeiten« und eine »taktisch sehr gute Mannschaft« verfüge der Gegner. Er erwarte »ein Spiel auf Augenhöhe«, so der 57-jährige Streich. »Wenn wir ein richtig gutes Spiel machen, können wir drüber sein.«
Streich wäre nicht Streich, würde er vor dem Auftakt der Gruppenphase der Europa League allzu forsche Töne anschlagen. Das fällt ihm auch als Coach des aktuellen Bundesliga-Tabellenführers nicht ein. Es ist womöglich aber auch ein bisschen die Konsequenz aus den vergangenen Europapokal-Auftritten der Badener. Bisher hatte ihnen die Zusatzbelastung durch das internationale Geschäft stets schwer zu schaffen gemacht. In der Saison 2013/2014 etwa scheiterte der SC in der Europa League bereits in der Vorrunde - und stieg um ein Haar aus der Bundesliga ab. Ein Jahr später folgte der Abstieg tatsächlich.
Diesmal fühlen sich die Freiburger deutlich besser gerüstet - und sind es wahrscheinlich auch. »Vor neun Jahren war die Situation eine vollständig andere«, betonte Streich rückblickend. Mittlerweile ist der Kader deutlich breiter und qualitativ stärker aufgestellt als damals. »Wir haben inzwischen auch sehr viele Nationalspieler, die den Rhythmus kennen«, sagte Offensivmann Vincenzo Grifo mit Blick auf die nun beginnenden Englischen Wochen. Zudem haben die jüngsten Siege gegen Bochum (1:0) und in Leverkusen (3:2), bei denen allerdings auch Glück dabei war, gezeigt, wie gefestigt das SC-Team aktuell ist.
Dennoch ist bei aller Vorfreude auch Vorsicht geboten. »Wir gehen es mit großem Respekt an«, sagte der 29-Jährige Grifo über das Duell mit Agdam, das fast den Einzug in die Champions League geschafft und in der Quali der Königsklasse unter anderen den Schweizer Meister FC Zürich ausgeschaltet hat. Natürlich gibt es klangvollere Namen und natürlich sei »die Champions League die Crème de la Crème«, so Grifo. »Aber wir sind Gott froh, dass wir international spielen und uns auf dieser Bühne zeigen können.«
Das war bei Bundesligisten nicht immer so. Weniger Geld, weniger Glamour, weniger Gier. Lange Zeit ließ sich ein Gros der Auftritte deutscher Mannschaften in der Europa League mit diesem Dreisatz ganz gut beschreiben. Eintracht Frankfurt jedoch hat dort zuletzt viele Feste und vorige Saison sogar den Titel gefeiert - und die kleine Schwester der Champions League in ihrer öffentlichen Wahrnehmung spürbar aufgewertet. »Sehr viel Spaß gemacht« hätten ihm die Auftritte der Hessen, berichtete Grifo. Er und seine Freiburger wollen nun eigene Erfolgsgeschichten in Europa schreiben. Ein Sieg gegen Karabach Agdam zum Start würde dabei sicher helfen.
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