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Ende der Gasnetze: Was plant die Reutlinger FairNetz?

Die Bundesregierung strebt ein Ende fossiler Brennstoffe bis 2045 an. Mannheim hat im November angekündigt, sein Gasnetz bereits 2035 stillzulegen. Auch andere Kommunen planen den Ausstieg. Doch mit Blick auf die bevorstehende Bundestagswahl zögern nun viele.

Hier werden noch neue Gasleitungen verlegt. Der Enegieversorger MVV Mannheim will ab 2035 seinen Kunden kein Gas mehr liefern.
Hier werden noch neue Gasleitungen verlegt. Der Enegieversorger MVV Mannheim will ab 2035 seinen Kunden kein Gas mehr liefern. Foto: Foto: Fotolia
Hier werden noch neue Gasleitungen verlegt. Der Enegieversorger MVV Mannheim will ab 2035 seinen Kunden kein Gas mehr liefern.
Foto: Foto: Fotolia

MANNHEIM/REUTLINGEN. Die MVV Energie aus Mannheim war Anfang November letzten Jahres der erste große Gasversorger, der seinen Kunden mitteilte, dass es von ihm ab 2035 kein Gas mehr geben wird. Für Bürger, Gewerbetreibende und Unternehmen bedeutet dies, dass ab diesem Zeitpunkt in Mannheim keine Gasheizungen mehr betrieben werden können. »Gasheizungen eignen sich nicht für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Beheizungsform«, begründete die MVV den Schritt. Rund 25.000 Haushalte sind davon betroffen. Mannheim gilt unter Spitzenverbänden damit als Vorreiter: Weder beim Verband kommunaler Unternehmen (VKU), noch beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ist ein weiterer Energieversorger bekannt, der bereits ein konkretes Ausstiegsdatum für sein Gasnetz genannt hat.

Auswirkungen auf Reutlingen?

Doch hat der Schritt des lokalen Energieversorgers aus Mannheim etwa Auswirkungen auf die Gaskunden in der Region Reutlingen? »Nein, überhaupt keine«, kann Klaus Leibfritz von den Stadtwerken Reutlingen beruhigen. Außerhalb des Verteilernetzes des MVV Mannheims hätte der Beschluss keine Konsequenzen.

Kommunen und Energieversorger beschäftigen sich im ganzen Bundesgebiet mit dem Thema kommunale Wärmeplanung. Auch die FairEnergie und damit die Stadtwerke in Reutlingen. Hintergrund ist das Klimaschutzgesetz, wonach Deutschland bis 2045 klimaneutral sein will. Dazu gehört auch der weitgehende Ausstieg aus fossilen Brennstoffen wie Erdgas. Wann genau und wie sich einzelne Kommunen von fossilen Brennstoffen verabschieden werden, wird sich aber erst noch zeigen.

Viele Kommunen sind gerade noch dabei, ihre Wärmepläne zu erarbeiten, aus denen dann ersichtlich sein soll, wo und wie schnell die Wärmeversorgung umgestellt werden könnte. Gemeindegebiete mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen nach Stand heute bis zum 30. Juni 2026 einen Wärmeplan erstellen. Gemeindegebiete mit weniger Einwohnern haben hierfür bis zum 30. Juni 2028 Zeit.

48 Prozent der Haushalte in Deutschland heizen mit Gas

In den Wärmeplänen sollen Städte und Gemeinden darlegen, wie sie die Wärmewende hin zur Klimaneutralität genau umsetzen wollen. Liegt die kommunale Wärmeplanung vor, wissen die Bürger, welche Form der Wärmeversorgung künftig in ihrer Nachbarschaft zur Verfügung steht. Doch die Aufgabe der Wärmewende ist riesig, denn noch ist der Anteil der erneuerbaren Energien in der kommunalen Wärmeversorgung eher gering. Nach Angaben des BDEW heizten 2023 rund 48 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Gas. Baden-Württemberg lag in der Studie mit knapp 37 Prozent Gasanteil deutlich unter dem Durchschnitt.

Baden-Württemberg ist bei der Erstellung der Wärmepläne momentan tatsächlich Klassenbester. Nach Daten des KWW haben hier 13 Prozent der Kommunen die Erstellung der Wärmepläne bereits abgeschlossen. Von den 160 Kommunen bundesweit, die die Wärmeplanung abgeschlossen haben, kommen ganze 148 aus dem Südwesten.

FairNetz plant weiteren Ausbau der Fernwärme

Doch welche Alternativen gibt es für die Kunden, sollte das Gasnetz tatsächlich in spätestens 15 bis 20 Jahren stillgelegt werden? Eine Alternative ist das Fernwärmenetz. Die Reutlinger FairNetz GmbH plant aktuell den weiteren Ausbau der Fernwärme. Fest steht aber schon jetzt: Nicht alle bisherigen Gaskunden werden in Zukunft die Möglichkeit der Fernwärme erhalten. »Wir müssen prüfen, wo Fernwärme technisch und betriebswirtschaftlich überhaupt möglich ist«, erklärt Klaus Leibfritz von den Reutlinger Stadtwerken. Denn nur wenige Haushalte an ein Fernwärmenetz anzuschließen, lohne sich finanziell nicht. Hinzu käme, dass es in Deutschland keinen Anschlusszwang gebe. Haushalte könnten selbst entscheiden, ob sie trotz einem vorhandenen Anschluss Fernwärme haben wollten oder eben nicht. »Wie viele Fernwärmenutzer es in der Zukunft in Reutlingen geben könnte, kann man daher momentan nicht sagen«, so Leibfritz.

Wer als Alternative zu Gas keinen Anschluss an die Fernwärme bekommt, dem bleibt am Ende wohl nur eine Wärmepumpe und Solarthermie. Als weitere Möglichkeit sehen manche den Umstieg auf grüne Alternativen wie Biomethan oder Wasserstoff. »Wenn bis 2040 oder 2045 klimaneutrale Gase ausreichend und zu einem für den Endkunden auskömmlichen Preis zur Verfügung stehen, wäre kein Ende der Gasnetze in Sicht«, bestätigt Leibfritz dem GEA.

Verbraucherzentrale warnt vor Preissteigerungen für Gaskunden

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg empfiehlt Gasheizungsbesitzern eine vorausschauende Planung. Verbraucher sollten sich momentan vor allem bei Neuanschaffungen nicht vorschnell für eine Öl- oder Gasheizung entscheiden. »Noch ist genug Zeit, sich beraten zu lassen und sich eine Strategie für die nächsten Jahre zu überlegen«, meint Verbraucherberater Matthias Bauer. Mit dem schrittweisen Ausstieg aus dem Gasnetz warnt die Verbraucherzentrale aber auch vor Preissteigerungen für Gaskunden, etwa bei den Netzentgelten. »Je mehr Verbraucher sich aus dem Gasnetz verabschieden, umso teurer wird es für die Zurückbleibenden«, sagt Bauer.

Spätestens seit der Ankündigung von Neuwahlen ist die gesamte Wärmeplanung nun allerdings ins Stocken geraten. Viele Kommunen wollen erst abwarten, ob es nach der Wahl mit veränderten Koalitionen und Machtverhältnissen auch Änderungen bei der Energiewende gibt. Der Chef des Deutschen Städtetages Helmut Dedy hatte erst kürzlich an die Parteien gerichtet angemahnt, man brauche Planungssicherheit. »Die Städte, ihre Stadtwerke, aber vor allem die Bürgerinnen und Bürger müssen sich auf den gesetzlichen Rahmen verlassen können«, so Dedy. Ein Gesetz an der einen oder anderen Stelle nachzubessern, sei normal, aber eine 180-Grad-Kehrtwende würde großes Durcheinander schaffen, warnte er.

Stadtwerke Reutlingen: Wärmeplanung auf Eis gelegt

Auch die Stadtwerke Reutlingen bestätigen, dass sie momentan ihre Wärmeplanung mit Blick auf die kommende Bundestagswahl auf Eis gelegt haben. Die Unsicherheiten wären momentan einfach zu groß. »Auf so einer Basis kann man keinen Wärmeplan erarbeiten«, so ihr Sprecher. Für die Energieversorger sei eine langfristige Planung wünschenswert. »Der Weg ist richtig, wir müssen weg von den fossilen Brennstoffen«, sagt Leibfritz. In der Praxis müsse dieser aber auch umsetzbar sein. (GEA)