Eltern sollen laut Polizei den Social-Media-Konsum ihrer Kinder im Auge behalten, um gefährliche Internet-Bekanntschaften zu verhindern. »Väter und Mütter sollten sich dafür interessieren, was ihr Kind im Internet macht, mit wem es kommuniziert und darüber im Gespräch bleiben«, riet Präventionsexperte Marc Reinelt vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Dienstag in Stuttgart. Hintergrund ist der Tod der 14-jährigen Ayleen aus dem südbadischen Gottenheim.
Die Schülerin soll ihren mutmaßlichen Mörder durch wochenlanges Chatten und ein bekanntes Online-Spiel kennen gelernt haben. Dieses Vorgehen mit dem Ziel, das Vertrauen des Opfers zu erschleichen, wird Cybergrooming genannt. Ermittler werten in dem Fall derzeit riesige Mengen an Datenmaterial zur Kommunikation in sozialen Medien und einem Online-Spiel aus.
Wenn das Kind sein Verhalten ändert - etwa sich zurückzieht und seinen Social-Media-Konsum verstärkt -, sollten Eltern nach den Gründen fragen, betonte Reinelt. »Die Täter tummeln sich dort, wo die Jugendlichen im Netz unterwegs sind.« Das können etwa die Portale Instagram und Tiktok oder Spiele wie das Survival-Schießspiel Fortnite sein.
Die Masche der Täter, die meist ihr wahres Alter verschleiern, bestehe darin, sich als Ansprechpartner bei Problemen in Schule oder Familie unverzichtbar zu machen, sich für den Alltag der Teenager zu interessieren und sie ernst nehmen. Geschenke würden in Aussicht gestellt. Der auf Wunsch der Erwachsenen geheim gehaltene Austausch nehme an Intimität zu und münde oft in das Einfordern oder Versenden von Nacktbildern. »Die Täter bauen ein Vertrauensverhältnis auf, um dieses später auszunutzen.« Das Cybergrooming könne Wochen und Monate dauern, bevor ein persönlicher Kontakt angebahnt werde.
Auf der Seite der Minderjährigen mische sich sexuelle Neugier mit dem Wunsch nach Anerkennung und dem Bedürfnis, Grenzen auszutesten. Das Phänomen nimmt nach Worten des LKA-Fachmannes zu. Opfer seien Mädchen wie Jungen, Täter meist Männer. Deren Motive lägen neben der sexuellen Befriedigung auch im Auskosten von Macht- und Überlegenheit gegenüber dem Opfer. 2021 habe es bundesweit 3500 Fälle des Straftatbestandes »Vorbereitung zum sexuellen Missbrauch« gegeben. Das Dunkelfeld ist Reinelt zufolge groß. »Aber Panik ist nicht geboten, und Eltern sollten angesichts solcher Fälle wie der Tod Ayleens die Kontrolle nicht übertreiben.«
Wenn es zu einem persönlichen Treffen komme, sollten im Idealfall die Eltern dabei sein und sich die Person genau anschauen. Auch das Hinzuziehen von Freunden oder Freundinnen beim Erstkontakt reduziere das Risiko von Übergriffen. »Das wäre die Mindestvoraussetzung«, unterstrich Reinelt. Vorschläge, sich in einer Wohnung oder einem abgelegenen Waldstück zu treffen, sollten abgelehnt werden. Ein öffentlicher Ort sei unabdingbar für eine erste Zusammenkunft.
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