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Aktuell Quantentechnologie

»Eine ganz neue Dimension des Messens«

Im GEA-Interview erklärt die Physikerin Dr. Katrin Kobe, warum die Quantensensorik bei der Medizintechnik, Mobilität und Materialprüfung eine zentrale Rolle spielen wird.

Ein mobiles Magnetokardiogramm kann das natürliche Magnetfeld des Herzens kontaktlos messen.
Ein mobiles Magnetokardiogramm kann das natürliche Magnetfeld des Herzens kontaktlos messen. Foto: Bosch Quantum Sensing
Ein mobiles Magnetokardiogramm kann das natürliche Magnetfeld des Herzens kontaktlos messen.
Foto: Bosch Quantum Sensing

STUTTGART. GEA: Frau Dr. Kobe, Wissenschaftler sagen, der Quantentechnologie gehört die Zukunft. Warum ist das so?

Katrin Kobe: Die Quantentechnologie ist eine Schlüsseltechnologie mit einem hohen strategischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Potenzial. Quantentechnologie gibt es bereits seit 100 Jahren. Sie kommt bereits heute im Alltag von uns allen vor, zum Beispiel bei Computer-Chips. Eine neue Generation von Quantentechnologie eröffnet nun vollkommen neue Möglichkeiten. Die Quantensensorik, um die es bei uns ja geht, ermöglicht etwa ganz neue Dimensionen des Messens. Sie wird daher in Zukunft eine zentrale Rolle in vielen verschiedenen Industrien von Mobilität bis zu Gesundheit spielen und im Alltag nicht mehr wegzudenken sein.

Welche industriellen Anwendungen sind aktuell in der Entwicklung?

Kobe: Derzeit wird auf der ganzen Welt an neuen Anwendungen gearbeitet, die in den kommenden Jahren zur Marktreife gelangen werden. Im Bereich Mobilität ist beispielsweise eine neue, sehr robuste Art der Flugzeug-Navigation denkbar. Im Bereich der Prozessoptimierung eine zerstörungsfreie Materialprüfung und im Bereich der Medizintechnik ein mobiles Magnetokardiogramm oder die Steuerung von Prothesen.

Katrin Kobe ist CEO von Bosch Quantum Sensing
Katrin Kobe ist CEO von Bosch Quantum Sensing Foto: Frank Schwaibold
Katrin Kobe ist CEO von Bosch Quantum Sensing
Foto: Frank Schwaibold

Profitiert auch der normale Verbraucher von Quantentechnologie?

Kobe: Auf jeden Fall. Das erwähnte Magnetokardiogramm (MKG) ist ein wunderbares Beispiel: Bei einem portablen MKG können Quantensensoren das natürliche Magnetfeld des Herzens messen. Eine solche Messung erfolgt kontaktlos und ist damit um Einiges komfortabler als die heutigen Elektrokardiogramme (EKGs), wo die Elektroden auf der Haut aufgebracht werden. Das dauert lange, kann verrutschen und ist häufig unangenehm. Gleichzeitig könnten MKGs mit Quantensensoren künftig mehr Informationen liefern als EKGs. Das beschleunigt die Diagnose in der Notaufnahme. Zudem sind auch unkomplizierte Messungen über einen längeren Zeitraum hinweg möglich. Das ermöglicht die einfache und präzise Überwachung auch zuhause. Die kontaktlose Früherkennung von Vorhofflimmern, einer der Ursachen für lebensgefährliche Schlaganfälle, Herzversagen und Demenz rückt damit erstmals in greifbare Nähe.

Welchen Stellenwert hat Europa bei der Quantenforschung?

Kobe: Europa ist an vielen Stellen Weltmeister in der Forschung und Entwicklung. Auch in der Quantenphysik sind wesentliche Fortschritte in Europa erzielt worden. Für die deutsche und europäische Industrie geht es jetzt darum, auch bei den industriellen Anwendungen ganz vorne mit dabei zu sein.

Ist Baden-Württemberg gut aufgestellt und welche Rolle spielt der Innovationscampus QuantumBW?

Kobe: Baden-Württemberg ist im Bereich Quantentechnologie in einer sehr guten Ausgangsposition. Hier sind sowohl Universitäten und Forschungsinstitute als auch Unternehmen von Start-ups bis Großkonzernen angesiedelt, die sich dem Thema widmen. QuantumBW ist ein starkes Netzwerk, das all diese Kompetenzen bündelt und Baden-Württemberg als Quanten-Hotspot weiterentwickelt. Das kann dabei helfen, Baden-Württemberg für hochqualifizierte Forschende und Fachkräfte attraktiv zu machen, sowie den Transfer von der Wissenschaft in die industrielle Anwendung zu fördern.

Besteht die Gefahr, dass Deutschland wie einst bei der Solartechnik seinen Wissensvorsprung verspielt?

Kobe: Die Gefahr besteht durchaus. Deutschland hat in den letzten Jahren gute Voraussetzungen geschaffen. Auch die USA und China sind in dem Bereich Quantentechnologien sehr aktiv und stellen auch entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung. Daher benötigen wir über die regionalen Anstrengungen hinaus ein starkes europäisches Ökosystem. Und es braucht einen klaren Fokus und einen langen Atem. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich das lohnt.

Dr. Katrin Kobe

Katrin Kobe ist seit 2021 bei Bosch und dort Geschäftsführerin des 2022 gegründeten internen Start-ups »Bosch Quantum Sensing«. Sie wurde in Wasserburg am Inn geboren, studierte Physik an der Ludwigs-Maximilian-Uni München und promovierte an der Freien Universität Berlin. Sie segelt gerne und hat eine erwachsene Tochter. Sie verfügt über 30 Jahre Erfahrung mit Technologieunternehmen. Kobe arbeitete als Management-Beraterin bei McKinsey und mehr als 20 Jahre in operativen Management-Positionen.

Bosch-Mitarbeiter zeigen auf der Messe Quantum die Anwendung eines MKG.
Bosch-Mitarbeiter zeigen auf der Messe Quantum die Anwendung eines MKG. Foto: Frank Schwaibold
Bosch-Mitarbeiter zeigen auf der Messe Quantum die Anwendung eines MKG.
Foto: Frank Schwaibold
Katrin Kobe erklärt Messe-Besuchern die Flugzeug-Navigation anhand des Erdmagnetfelds.
Katrin Kobe erklärt Messe-Besuchern die Flugzeug-Navigation anhand des Erdmagnetfelds. Foto: Bosch Quantum Sensing
Katrin Kobe erklärt Messe-Besuchern die Flugzeug-Navigation anhand des Erdmagnetfelds.
Foto: Bosch Quantum Sensing
Seit 2022 CEO bei Bosch Quantum Sensing: Dr. Katrin Kobe
Seit 2022 CEO bei Bosch Quantum Sensing: Dr. Katrin Kobe Foto: Bosch Quantum Sensing / Martin Stollberg
Seit 2022 CEO bei Bosch Quantum Sensing: Dr. Katrin Kobe
Foto: Bosch Quantum Sensing / Martin Stollberg