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Drei Tote bei Brand in Pflegeheim: »Eine Katastrophe«

Nur sechs Minuten nach dem Notruf ist die Feuerwehr am Ort. Zu spät für drei Bewohner eines Reutlinger Pflegeheims. Sie sterben bei dem Brand, der Rettungskräfte und Oberbürgermeister schockiert zurücklässt. Wie konnte das passieren? Und hätte es passieren müssen?

Brand in Reutlingen
Einsatzkräfte sind mit ihren Fahrzeugen bei dem Brand im Einsatz. Foto: Kohls
Einsatzkräfte sind mit ihren Fahrzeugen bei dem Brand im Einsatz.
Foto: Kohls

Ein verrußtes Fenster, die Lamellen eines Rollos hängen schräg herab, eine Schreibe ist zersplittert und verkohlt, die Hauswand schwarz gefärbt. Spuren dessen, was wenige Stunden zuvor in den Räumen des Reutlinger Pflegeheims passiert ist. Der Flammen, die dort gelodert und drei Leben gekostet haben. Des Leids, das dort innerhalb von wenigen Minuten über die Menschen in der Wohngruppe für psychisch Kranke hereingebrochen ist.

»Schlichtweg eine Katastrophe«, nennt es Gerhard Längle. Sichtlich geschockt steht der Leiter der Einrichtung am Morgen nach dem Brand vor dem Gebäude, während Kriminaltechniker in weißen Schutzanzügen und Atemschutzmasken in den rußgeschwärzten Trümmern der zerstörten Räume nach Antworten auf die vielen offenen Fragen suchen.

Unklar war am Morgen danach vor allem der Grund für den Brand. »Wie genau die Situation entstanden ist, können wir noch nicht sagen«, sagt Längle. Und auch Feuerwehr-Einsatzleiter Martin Reicherter formuliert nur sehr vorsichtig, dass nach einer ersten Ansicht der Brand »im Bereich des Patientenbettes« ausgebrochen sein könnte. Stunden hat er da bereits am Einsatzort verbracht.

Der Notruf hatte die Feuerwehr am Dienstagabend um 19.43 Uhr erreicht, sechs Minuten später waren die ersten Löschwagen am Ort des Brandes, wie sich Reicherter erinnert. Eine Person mit rußgeschwärztem Gesicht saß beim Eintreffen der Feuerwehr bereits vor der Eingangstür des Gebäudes, für drei Menschen war es da bereits zu spät.

Das Feuer war in einer von insgesamt vier Wohngruppen des Heimes ausgebrochen, es war beim Eintreffen der Feuerwehr aber bereits weitgehend erloschen und hatte sich auf einen Raum beschränkt. »Der Zustand der Räumlichkeiten ließ aber auf eine hohe Intensität schließen«, sagt Reicherter. »Es war eine enorme psychische Belastung auch für die Trupps, die da drin waren. Wir haben unsere psychologische Nachsorge alarmiert.«

Den insgesamt 61 Feuerwehrleuten und rund 40 weiteren Helfenden sei »der Schock ins Gesicht geschrieben« gewesen, sagte auch Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck. Der SPD-Politiker zeigte sich nach dem Brand ebenfalls erschüttert: »Es ist ein schwarzer Abend für Reutlingen«, sagte er am Dienstagabend am Unglücksort.

Nach Angaben des leitenden Notarztes haben eine 53-jährige Frau und zwei Männer im Alter von 73 und 88 Jahren beim Brand Rauchgas eingeatmet und nicht überlebt. Eine 57-jährige Frau erlitt schwere Verletzungen, elf Personen wurden leicht verletzt. Die Schadenshöhe dürfte laut ersten Schätzungen im sechsstelligen Bereich liegen.

In den Wohngruppen der sozialpsychiatrischen Pflegeeinrichtung leben jeweils sieben bis acht psychisch kranke Menschen wie eine Familie und mit eigenen Zimmern zusammen. Nach Angaben des ärztlichen Leiters des Heims handelt es sich um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen, die mindestens 50 Jahre alt sind. Sie leben längerfristig dort, sind aber nach Angaben der Stadt vergleichsweise selbstständig.

Unklar ist nach dem Feuer noch die genaue Situation in der Wohngruppe zum Zeitpunkt des Brandes. Feuerwehr und Stadt geben an, es hätten neben dem Raum, in dem das Feuer ausgebrochen sei, »20 weitere Türen geöffnet« werden und weitere Räume durchsucht werden müssen. Da die Menschen in ihren eigenen Wohnungen wohnten, könnten sie diese auch abschließen, sagte der Reutlinger Oberbürgermeister. Nicht geklärt ist bislang, ob auch einzelne Zimmer abgeschlossen waren.

Die Stiftung Patientenschutz fordert in diesen Einrichtungen Generalschlüssel, die in einem Schlüsselsafe hinterlegt werden. Dieser müsse sich bei Auslösen einer aufgeschalteten Brandmeldeanlage automatisch öffnen.

Zum Zeitpunkt des Brandausbruchs befanden sich der Polizei zufolge 37 Bewohner und fünf Pflegekräfte in dem Gebäude. Der vom Brand betroffene Teil des Gebäudes sei nicht mehr bewohnbar. Die elf Leichtverletzten wurden nach Untersuchung und Behandlung in eine psychiatrische Klinik gebracht und dort betreut.

Informationen über das Pflegeheim

Mitteilung der Polizei (1.30 Uhr)

© dpa-infocom, dpa:230118-99-258785/5