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Diskussionen über Verbrenner-Aus in Baden-Württemberg

Das geplante Verbrenner-Aus bis 2035 erhitzt die Gemüter im Südwesten. Der Verkehrsminister und die Wirtschaftsministerin liegen inhaltlich weit auseinander, die FDP ist auf der Zinne. Auch die Unternehmen sind unterschiedlicher Meinung.

Nicole Hoffmeister-Kraut
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut spricht bei einer Pressekonferenz in Stuttgart. Foto: Marijan Murat
Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut spricht bei einer Pressekonferenz in Stuttgart.
Foto: Marijan Murat

Der Beschluss des EU-Parlaments zum Verbrenner-Aus bis 2035 spaltet das Autoland Baden-Württemberg. Führende Politiker liegen inhaltlich weit auseinander und üben teils heftige Kritik. Auch in den großen Unternehmen der Branche fallen die Reaktionen unterschiedlich aus.

Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) geht das angestrebte Verbot nicht weit genug. Der Beschluss sei zwar »ambitioniert, notwendig und machbar«, klar sei aber auch: »Ein Verbot des Verbrennungsmotors wird nicht reichen.« Hermann forderte eine Verkehrswende. »Wenn jeder Verbrenner durch ein Elektroauto ersetzt wird, ist am Ende niemandem geholfen - am wenigsten der Umwelt«, sagte Hermann.

Der FDP-Politiker Friedrich Haag kritisierte Hermann und sprach von einer »Beschneidung der individuellen Mobilität der Menschen«. Nicht der Motor, sondern der fossile Kraftstoff schade dem Klima. »Klimaneutrale synthetische Kraftstoffe tragen sofort zur Dekarbonisierung bei, ohne dabei den hocheffizienten Verbrennungsmotor auszurotten«, sagte Haag.

Parteikollege und Fraktionsvorsitzender Hans-Ulrich Rülke schrieb auf Twitter, der Beschluss sei »getragen von industriepolitischer Dummheit, klimatologischer Ignoranz und wirtschaftspolitischer Verantwortungslosigkeit«.

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) sagte, sie hätte sich einen »technologieoffeneren Ansatz gewünscht, der anderen Lösungen wie synthetischen Kraftstoffen mehr Chancen einräumt«. Die Branche sei in einem Transformationsprozess. Gerade für kleinere Zulieferer seien die Herausforderungen enorm. Es sei damit zu rechnen, dass nicht jeder Standort und jeder Zulieferbetrieb diesen Kraftakt überstehen werde.

Der Autohersteller Mercedes-Benz hingegen begrüßte die Entscheidung grundsätzlich. Eckart von Klaeden, Leiter des Bereichs Außenbeziehungen, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag, der Beschluss nehme die Politik in die Pflicht, für die erforderliche Infrastruktur zu sorgen. Ein Sprecher des Sportwagenbauers Porsche wollte sich nicht äußern, verwies aber auf eine Mitteilung der Konzernmutter Volkswagen, wonach ein »ambitioniertes, aber erreichbares Ziel« formuliert worden sei.

Deutschlands größter Autozulieferer Bosch teilte mit, das Ziel mitzutragen, bis 2035 die CO2-Emissionen von Neufahrzeugen um 100 Prozent zu senken. Beim Zulieferer Mahle sieht man es hingegen »sehr kritisch, über regulatorische Vorgaben Technologien faktisch aus dem Markt zu drängen, statt ihr Potenzial zur Reduzierung der Treibhausgase zu nutzen«, wie ein Sprecher mitteilte. Damit verliere man wertvolle Chancen beim Klimaschutz und riskiere zugleich den Verlust von Arbeitsplätzen und Wertschöpfung. Mahle stehe jedoch in vollem Umfang hinter den Zielen des Pariser Klimaabkommens, sagte der Sprecher.

Eine Mehrheit der EU-Abgeordneten hatte am Mittwoch dafür gestimmt, dass Hersteller ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt bringen dürfen, die keine klimaschädlichen Treibhausgase ausstoßen. Bevor eine solche Regelung in Kraft treten kann, muss sich das Parlament aber noch mit den EU-Staaten einig werden.

Tweet von Hans-Ulrich Rülke

© dpa-infocom, dpa:220609-99-602950/3