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Deutschlands höchste Bauruine verfällt weiter im Land

107 Meter ist der Fellbacher »Schwabenland Tower« hoch. Doch seit acht Jahren wird nicht mehr weitergebaut.

Der Schwabenland-Tower bleibt eine Dauerbaustelle.  FOTO: WEISSBROD/DPA
Der Schwabenland-Tower bleibt eine Dauerbaustelle. FOTO: WEISSBROD/DPA
Der Schwabenland-Tower bleibt eine Dauerbaustelle. FOTO: WEISSBROD/DPA

FELLBACH. Den Titel des höchsten Kirchturms ist Baden-Württemberg bald los, doch der unrühmliche Titel der höchsten Bauruine bleibt den Land dafür erhalten. Kürzlich erreichte der Architektur-Youtuber Cato alias Simon Gruninger (24) mit einem Dokumentationsfilm »Schande – warum das größte Wohnhaus Baden-Württembergs nie fertig wird« 400.000 Klicks und sorgte für erneute Debatten über ein Projekt, das für Größenwahn und Insolvenzen steht und inzwischen auch die Staatsanwaltschaft beschäftigt. Eigentlich sollte das Projekt auf dem Gelände der ehemaligen Maschinenfabrik Fromm 2016 fertiggestellt werden und 60 Millionen Euro kosten.

»Das Projekt ist als Landmarke auf die Bedürfnisse Fellbachszugeschnitten«

Der Bauunternehmer Michael Georg Wabanoff wollte 66 Luxuswohnungen und ein Hotel in dem Tower unterbringen. Als das Konzept 2007 vorgestellt wurde, gründete sich eine Bürgerinitiative mit den Namen »Fellbach ist nicht Manhattan« und sammelte in der 45.000-Einwohner-Stadt, die direkt an Stuttgart grenzt, 4.000 Unterschriften gegen das Projekt. Erfolglos. Das Verwaltungsgericht erlaubte 2010 den Bau. Der Gemeinderat stellte 2014 einen Bebauungsplan auf, kurz darauf war Spatenstich. Zunächst ging es mit den Bauarbeiten voran, im September 2016 wurde beim damaligen Gewa-Tower Richtfest gefeiert. Doch zwei Monate später ging Wabanoff mit seiner Firma Gewa in die Insolvenz. Die Bauarbeiten wurden eingestellt. Zwei Jahre lang ruhten die Arbeiten auf der Baustelle. Im September 2018 erwarb der Leipziger Baulöwe Christoph Gröner für 15 Millionen Euro mit seiner CG Gruppe den Turm. Das Gebäude erhielt den Namen in »107 Schwabenland Tower« und ein neues Konzept. Statt 66 Luxuswohnungen sollten nun 192 Mietwohnungen entstehen. Die Fertigstellung war nun für Ende 2020 geplant. Doch es kam anders. Die Adler Group – ursprünglich ein Hersteller von Autos und Fahrrädern und später von Schreibmaschinen, aber inzwischen Immobilienentwickler – übernahm 94 Prozent der Cosensus Real Estate, der Muttergesellschaft der CG Gruppe. Dies führte – ebenso wie die Corona-Wirtschaftskrise – zu weiteren Verzögerungen, doch 2021 kündigte Adler an, den Tower 2023 fertiggebaut zu haben. Doch daraus wurde nichts. Denn Adler meldete im Frühjahr 2023 finanzielle Schwierigkeiten an. Mitte 2023 wurde der Baukran endgültig demontiert.

Wie es mit dem Tower weitergeht, ist völlig offen. Die Adler Group hatte dem Youtuber berichtet, dass sie den Turm verkaufen wollen und auch weiter Trockenbauarbeiten liefen. Auf ihrer Webseite bewirbt Adler das Projekt als »Landmark und Trophy-Investment«, das mit seiner »außergewöhnlichen Architektur« speziell »auf die Bedürfnisse Fellbachs zugeschnitten« sei. Der Projektgegner und langjährige SPD-Stadtrat Fellbachs Harald Rass vertritt im SWR eine andere Meinung: »Da wollten wohl ein paar Kommunalpolitiker groß rauskommen – so nach dem Motto wie haben den größten und den längsten – und das ist gewaltig schief gegangen«.

»Es ist nicht die Aufgabe der Stadt, privateBauprojekte fertigzustellen«

Inzwischen beschäftigt der Tower auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart. Sie ermittelt wegen Insolvenzverschleppung und Marktmanipulation gegen zwei Beschuldigte. Wann es zu einem Prozess kommt, ist noch. In Fellbachs Rathaus sitzen mit Gabriele Zull seit 2016 (im September 2024 im 98 Prozent bestätigt) eine Oberbürgermeisterin, die in Reutlingen aufwuchs und einst am Albert-Einstein-Gymnasium Abitur machte und mit Beatrice Soltys eine Baubürgermeisterin, die 2014 in Tübingen erfolglos für die CDU gegen OB Boris Palmer antrat. Soltys versichert kürzlich in einem SWR-Beitrag, dass es nicht Aufgabe der Stadt sei, gescheiterte private Investorenprojekte fertigzustellen.

Einige Bewohner hat die ewige Baustelle dann doch noch gefunden: Der Nabu Fellbach hat oben auf dem Turm eine Nistbox für Wanderfalken angebracht und berichtet von regelmäßigen Bruterfolgen seit 2018. Etwa ein Dutzend junge Falken fanden inzwischen eine Kinderstube in dem Turm. Immerhin etwas Positives an dem Pleiteobjekt. (GEA)