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Deutsche und Franzosen kämpfen gemeinsam gegen Kriminelle

Seit gut 25 Jahren läuft an der Grenze eine spezielle deutsch-französische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen. Nun ist es Zeit für Änderungen, finden Verantwortliche.

Zentrum der deutsch-französischen Polizeizusammenarbeit
Seit 25 Jahren arbeiten Deutsche und Franzosen bei der Sicherheit an der Grenze zusammen Foto: Christian Böhmer/DPA
Seit 25 Jahren arbeiten Deutsche und Franzosen bei der Sicherheit an der Grenze zusammen
Foto: Christian Böhmer/DPA

Illegale Einreise, Schmuggel, Auto-Diebstahl: Seit gut 25 Jahren gehen Deutsche und Franzosen an ihrer gemeinsamen Grenze gegen die Kriminalität vor. Beamte der Bundes- und der Landespolizei sowie des Zolls tauschen dazu in einem unscheinbaren Großraumbüro in Kehl rund um die Uhr Daten und Informationen mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich aus. 

»Wir waren der Vorreiter«, sagte der deutsche Koordinator des sogenannten Gemeinsamen Zentrums, Maxime Fischer. Vorher habe es kein Zentrum dieser Art in Europa gegeben. Mittlerweile seien es rund 60 Einrichtungen. »Es ist ein ureuropäisches und gleichzeitig sehr praktisches Projekt.« Fischers französischer Kollege Alain Winter fügte hinzu: »Für unsere Arbeit soll die Grenze verschwinden. Das ist das Ziel.« 

Das Zentrum öffnete am 10. März 1999 im badischen Offenburg. 2002 zog die Einrichtung dann nach Kehl - vom Hafenviertel hat man einen Blick auf das Straßburger Münster auf der anderen Rheinseite. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) sagte: »Kriminalität macht nicht an Landesgrenzen halt.« Das Zentrum in Kehl strahle auf ganz Europa aus. 

Was machen Deutsche und Franzosen in Kehl? 

Die Einrichtung ist vor allem eine Drehscheibe für Informationen. Die rund 60 Beschäftigten aus beiden Ländern sind Ansprechpartner für die Sicherheitsbehörden, aber nicht für Bürgerinnen und Bürger. Auch Kontrollen, beispielsweise an der nahe gelegenen Europabrücke zwischen Kehl und Straßburg, gehören nicht zum Aufgabenbereich. 

»Wir beschäftigen uns vor allem mit kleiner und mittlerer Kriminalität«, resümierte Fischer. Er nannte Ermittlungsverfahren und Fahndungen, die das Grenzgebiet betreffen. Aber auch bei großen Sicherheitslagen wird das Zentrum einbezogen. Das betraf etwa die Brandanschläge auf mehrere Anlagen des französischen Bahnnetzes Ende Juli - unmittelbar zu Beginn der Olympischen Spiele in Paris. 

Einsatz bei Olympia

Das Zentrum koordiniert neuerdings auch Einsätze beim Nachbarn: 52 Polizistinnen und Polizisten aus dem Südwesten unterstützten während der Spiele die Sicherheitskräfte in der französischen Hauptstadt, wie Strobl berichtete.

Gestohlener Wohnwagen und Entführung 

Die Mitarbeiter bearbeiten eine sehr breite Palette von Fällen. Wenn ein Wohnwagen, der mit einem GPS-Ortungsgerät ausgestattet ist, auf der deutschen Seite des Rheins gestohlen wird, ruft der Besitzer zunächst bei der Polizei an. Diese kontaktiert dann in der Regel die Kehler Schaltstelle. »Der deutsche Kollege gibt es dann über den Tisch an den französischen Kollegen, um eine Fahndung in Frankreich einzuleiten«, berichtete Fischer. »Die Fahrzeuge können dann per GPS-Signal geortet werden, oft auf der Autobahn.« 

Der französische Polizeioffizier Winter erzählte von einem anderen Fall, der deutlich komplizierter war und schon in Richtung Krimi ging: »Wir hatten auf der französischen Seite die Entführung eines Kindes. Der Vater holte es am Ausgang der Schule ab und fuhr dann in Richtung Dänemark.« Es habe einen Dauerkontakt mit den Dienststellen in Frankreich und Deutschland gegeben. »Wir hatten nur das Kennzeichen des Autos vom Vater. Der Mann wurde schließlich an einer Autobahn-Tankstelle festgenommen.« 

Polizeivertrag ist in die Jahre gekommen 

Im vergangenen Jahr gingen über 21.000 Anfragen bei der deutsch-französischen Dienststelle ein. »Die kommen sogar aus Martinique, wenn es dort Probleme mit Deutschen gibt«, sagte Winter mit Blick auf die französische Karibikinsel. Die meisten Bitten aus seinem Heimatland kommen demnach gar nicht mehr aus den grenznahen Départements, sondern aus dem ganzen Land - Überseegebiete inbegriffen. 

Auch deswegen wird unter der Federführung der Innenministerien beider Länder verhandelt, das Mondorfer Abkommen von 1997 zur engeren Zusammenarbeit von Polizei und Zoll zu reformieren. Der Polizeivertrag ist in die Jahre gekommen. »Berlin und Paris haben verstanden, dass wir nicht nur an der Grenze arbeiten, sondern auch im gesamten Staatsgebiet«, bilanzierte Winter. Wann es einen neuen Vertrag geben werde, sei bisher aber offen. Nach den Worten des Stuttgarter Ressortchefs Strobl muss ein vertraglicher Rahmen für die nächsten Jahrzehnte geschaffen werden. 

Sprache soll kein Problem sein 

Sprachliche Hürden soll es in Kehl nicht geben - die Mitarbeiter sind entsprechend ausgebildet. »Zwischen Paris und Berlin spricht man häufig auf Englisch«, meinte Winter. »Ici, on parle en français  et en allemand« (»Hier spricht man Französisch und Deutsch.«), sagte er mit einem gewissen Stolz. 

In dem Lagezentrum gebe es zwar einen deutschen und einen französischen Bereich. Doch ein Denken in klassischen Zuständigkeiten sei oft nicht mehr praktikabel. »Jeder macht alles«, so lautet das Motto. 

Gerade nachts oder an Wochenenden kann etwa eine Anfrage von der Bundespolizei von einem Landesbeamten oder einem Zöllner bearbeitet und dann an einen französischen Gendarmen weitergereicht werden. Die Gendarmerie gehört im Nachbarland zu den Streitkräften, nimmt aber auch Polizeiaufgaben wahr. Das Zentrum hat Koordinator Fischer zufolge eine Vermittlerrolle, die inzwischen weit über das Tagesgeschäft hinausreicht. »Könnt Ihr uns Informationen geben?« - so oder ähnlich lauten Fragen aus Deutschland, falls es in Frankreich Attentate und Unruhen gibt. 

© dpa-infocom, dpa:240904-930-222296/3