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Demonstranten marschieren erneut zu Kretschmanns Wohnhaus

Gegner der Corona-Maßnahmen nehmen immer häufiger Privathäuser von Politikern ins Visier - gleich zweimal hintereinander auch das Zuhause von Winfried Kretschmann. Der Regierungschef reagiert wütend.

Regierungs-Pressekonferenz in Stuttgart
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild
Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

SIGMARINGEN. Gegner der Corona-Politik haben den zweiten Tag in Folge in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) in Sigmaringen protestiert. 350 Menschen sind nach Polizeiangaben am Montagabend in einem Abstand von rund 100 Metern am Haus des Regierungschefs vorbeigelaufen. Für ein paar Minuten hätten sie dann angehalten und ein Trillerpfeifenkonzert angestimmt, sagte ein Sprecher. Die Versammlung sei nicht angemeldet gewesen. Bereits am Sonntag hatten rund 60 Demonstranten versucht, zu dem Wohnhaus Kretschmanns vorzudringen.

Kretschmann reagierte am Dienstag empört. Demonstrationen und Aufmärsche vor privaten Wohnhäusern von Amtsträgern seien nicht vereinbar mit der Demokratie. »Demos vor Wohnhäusern von Politikerinnen und Politikern gehen mal überhaupt gar nicht«, sagte er. Wer so etwas mache, verkenne den Charakter der Demokratie, in der strikt zwischen der Privat- und der Amtsperson unterschieden werde. Deshalb überschritten Demonstrationen vor Privathäusern von Politikern »sofort eine rote Linie«. Das könne in keiner Weise geduldet werden. Die, die das machten, zeigten, dass sie mit der Demokratie auf Kriegsfuß stünden - oder sie mindestens nicht verstanden hätten.

Er selbst sei nicht zu Hause gewesen, aber seine Frau Gerlinde sei gerade nach Hause gekommen, habe viel Polizei gesehen und sei ziemlich erschrocken, sagte Kretschmann. Es sei noch schlimmer, wenn die Familie einbezogen würde. Die Lage werde nun auch im Internet genau beobachtet, sagte der Regierungschef mit Blick auf mögliche weitere Proteste rund um sein Haus. Er sagte aber, seine Frau und er fühlten sich »gut behütet und beschützt« von der Polizei.

Die Beamten rechnen damit, dass wieder Demonstranten in der Nähe von Kretschmanns Wohnhaus auftauchen können. Man beobachte die Social-Media-Kanäle. Man habe dafür gesorgt, dass die Demonstranten nicht bis zum Haus vordringen, sagte ein Polizeisprecher. Zudem habe man Kretschmanns Ehefrau Gerlinde an beiden Tagen über den Protest informiert. Eine kleine Gruppe habe am Sonntag versucht, eine Absperrung zu umgehen, um zum Haus der Kretschmanns vorzudringen. Die Beamten hätten eine Kette gebildet, um die Demonstranten abzuwehren. Am Montag sei eine solche Kette nicht nötig gewesen, da die Demonstranten stehengeblieben seien.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) verurteilte das Vorgehen der Demonstranten. »Wer unter dem Deckmantel eines Aufzugs durch Städte und Dörfer irrlichtert und vor dem Wohnsitz von Politikern aufmarschieren möchte, überschreitet eine Grenze«, sagte Strobl der Deutschen Presse-Agentur. »Das ist Psychoterror.« Die rund 350 Kritiker der Corona-Politik seien in einem Abstand von rund 100 Metern am Haus des Regierungschefs vorbeigelaufen, hätten Parolen skandiert und die Nationalhymne gesungen, teilte Strobls Ministerium mit.

In der Pandemie ist es mehrfach vorgekommen, dass der Protest von Gegnern der Corona-Maßnahmen vor die Wohnhäuser von Politikerinnen und Politikern getragen wurde. Ende Januar protestierten etwa mehr als 20 Menschen vor dem Haus des Tübinger Oberbürgermeisters Boris Palmer gegen die Impfpflicht. Mit Rufen wurde der Grünen-Politiker offen angefeindet.

Im Januar dieses Jahres waren Hunderte Corona-Maßnahmengegner bei einem unangemeldeten Protest lautstark am Wohnhaus von Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb (parteilos) vorbeigezogen. Für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte ein Fackel-Aufmarsch vor dem Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) Anfang Dezember. Kretschmann hatte den Vorfall scharf verurteilt. »Das sind Methoden, die hat die SA erfunden«, sagte er in Erinnerung an die Kampforganisation der NSDAP. So ein Protest gehe gar nicht. (dpa)