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Aktuell Versorgung

Dauerstreit ums Stuttgarter Trinkwasser hält an

Vor 25 Jahren privatisierte Stuttgart die Leitungen. Nun gibt es Verhandlungen um einen Rückkauf.

Für den Energieriesen EnBW ist das Wassermonopol in Stuttgart lukrativ.  FOTO: WEIHRAUCH/DPA
Für den Energieriesen EnBW ist das Wassermonopol in Stuttgart lukrativ. FOTO: WEIHRAUCH/DPA
Für den Energieriesen EnBW ist das Wassermonopol in Stuttgart lukrativ. FOTO: WEIHRAUCH/DPA

STUTTGART. Die Landeshauptstadt wurde in den letzten Jahren nicht müde, Streitfragen zu den Besitzverhältnissen beim Strom-, Gas- und Fernwärmenetz mit der Energie Baden-Württemberg (EnBW) vor diversen Gerichten auszufechten. Aus ihrer Sicht war das mal mehr (Strom und Gas), mal weniger (Fernwärme) erfolgreich und lukrativ. Beim Streit um den Rückkauf des vor der Jahrtausendwende verscherbelten Wassernetzes scheint in den Amtsstuben inzwischen Erschlaffung eingekehrt. Dazu kommen Sorgen wegen der Kassenlage.

Es ist das letzte große Verfahren der Stadt gegen den Energiemulti. Zwölf Jahre nach der Klageeinreichung, der ein Bürgerbegehren vorausging, haben die Kontrahenten beim Landgericht erneut eine Vertagung beantragt. Die 15. Kammer, bei der die Unterlagen Staub ansetzen, hat gleich sieben Monate bis zum 5. Dezember eingeräumt. Schließlich führten die Parteien »Einigungsgespräche«. Ende 2022 war man aus Sicht der Stadtverwaltung und der EnBW bereit für den Handschlag. Der Gemeinderat lehnte mit der Mehrheit von Grünen, SPD, Linksbündnis und der Fraktion Puls den von OB Frank Nopper und Finanzbürgermeister Fuhrmann (beide CDU) beworbenen Deal aber ab und schickte sie in die Verlängerung.

Netzbetrieb lukrativ

Tatsächlich hätte die vorgeschlagene Einigung in wesentlichen Punkten keine Klarheit gebracht. Die EnBW hatte den Netzrückkauf für das Jahr 2042 angeboten, es wurde aber kein Preis festgeschrieben, sondern der für dieses Jahr unbekannte Ertragswert, dazuhin hätte die Stadt Grundstücke von der EnBW pachten müssen. Der Netzbetrieb samt Wasserverkauf ist für den Konzern mit Sicherheit lukrativ. Hier muss sich die EnBW keinem Mitbewerber stellen, der Absatz ist gut kalkulierbar, über Investitionsnotwendigkeiten entscheidet man allein. Das sind Konditionen wie zu den Zeiten vor der Liberalisierung des Energiemarktes.

Zahlungspflicht käme zur Unzeit

Dazu sah das Gericht den Wert des Wassernetzes in einer lange zurückliegenden Verhandlung bei 348 Millionen Euro. Etwa die Hälfte davon hatte Stuttgart in besseren Jahren im Haushalt zurückgestellt. Diesen Merkposten gibt es im städtischen Zahlenwerk nicht mehr, in diesem Jahr steuert die Kommune auf ein Fast-900-Millionen-Euro-Defizit im Er-gebnishaushalt zu. Eine Einigung mit der EnBW mit sofortiger Zahlungspflicht käme aus finanzieller Sicht nun zur Unzeit.

Den Gerichtsweg weiterzugehen, sehen manche Fraktion im Rat inzwischen mit Skepsis. Grund ist das Fernwärme-Urteil des Bundesgerichtshofs von Ende 2023 (AZ: KZR 101/20). Darin verweigerten die Richter dem Betreiber EnBW zwar ein Ewigkeitsrecht an den Leitungen, der Stadt aber auch das Eigentum daran.

Stuttgart könne die vor Jahren begonnene Ausschreibung für eine neue Konzession (die alte war 2013 ausgelaufen) fortsetzen und so ein »Zukunftsthema« angehen. Der Kartellsenat sah sein Urteil in Sachen Wettbewerbsöffnung als wegweisend an.

Die Frage ist seitdem allerdings, wer ein altes Hochtemperatur-Fernwärmenetz ohne Erzeugungsanlagen, dessen Ausbaumöglichkeiten der Topografie wegen zudem begrenzt ist, übernehmen will? Die Stadtwerke Stuttgart (SWS) wohl kaum. Sie mühen sich um den Aufbau von Nahwärmenetzen, die statt auf der Verbrennung von Gas auf Abwasserwärme, Geothermie und Wärmepumpen fußen. Die EnBW hofft, Gas für die Fernwärme in den 2030er-Jahren durch Wasserstoff ersetzen zu können. Ob das Molekül dafür aber bezahlbar verfügbar sein wird, sehen diverse Energieexperten kritisch. (GEA)