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Das Talent zum Beruf gemacht

Monika Ott aus Langenau ist Konferenzdolmetscherin und lernt interessante Menschen und Orte kennen

Typische Arbeitssituation: Monika Ott beim simultanen Dolmetschen in einer Kabine. Beruflich benutzt sie Englisch, Schwedisch un
Typische Arbeitssituation: Monika Ott beim simultanen Dolmetschen in einer Kabine. Beruflich benutzt sie Englisch, Schwedisch und natürlich Deutsch. Wer Dolmetscher werden will, muss das sprachliche Talent dazu schon mitbringen. Sie spricht darüber hinaus noch einige weitere Sprachen. FOTO: PRIVAT
Typische Arbeitssituation: Monika Ott beim simultanen Dolmetschen in einer Kabine. Beruflich benutzt sie Englisch, Schwedisch und natürlich Deutsch. Wer Dolmetscher werden will, muss das sprachliche Talent dazu schon mitbringen. Sie spricht darüber hinaus noch einige weitere Sprachen. FOTO: PRIVAT

LANGENAU/STUTTGART/HAMBURG. Meist nimmt sie niemand bewusst wahr, aber sie sind wahre Könner in ihrem Metier und selten verschlägt ihnen etwas die Sprache. Die 43-jährige Monika Ott aus Langenau bei Ulm hat einen Beruf, der als ziemlich stressig gilt: sie ist Konferenzdolmetscherin. Sie empfindet ihren Beruf allerdings nicht so, sondern er bereitet ihr vor allem Spaß. Auf ihrer Homepage Konferenzdolmetscher Stuttgart nimmt sie den baden-württembergischen Werbeslogan auf und schreibt: »Ich kann nicht alles, aber Hochdeutsch … und außerdem noch vieles mehr.«

Nach dem Abitur hat Monika Ott in Langenau eine Schreinerlehre absolviert, dann aber ihre zweite Leidenschaft, nämlich ihr Sprachtalent, zum Beruf gemacht. Am Gymnasium in Langenau lernte sie Englisch und Französisch. Mit 14 war sie in England und besuchte Verwandte in Australien, dann war sie zu einem Aufenthalt in den USA. Sie absolvierte das Studium zum Diplom-Konferenzdolmetscher in Heidelberg und war als Erasmus-Studentin im schottischen Edinburgh. Nebenbei lernte sie noch Schwedisch, »aus Jux und Dollerei und einfach, weil ich Lust darauf hatte«. Mit ihrem Freund zog sie dann nach Hamburg und begann im Januar 2010 ihre freiberufliche Tätigkeit als Konferenzdolmetscherin.

»Es gibt natürlich auch eine beschränkte Anzahl von festen Stellen, beispielsweise in den Bundesministerien in Berlin, bei einigen Institutionen und natürlich bei der Europäischen Union.« Aber sie wollte selbst aussuchen und entscheiden können, was sie macht.

»Die Sätze und ihre Bedeutung antizipieren«

Ott netzwerkt zusammen mit einer weiteren freiberuflichen Dolmetscherin, Anja Grewe. Sie betreiben zusammen die norddeutsche Online-Präsenz Konferenzdolmetscher Hamburg. »Wir sind überall mit dabei, wo der Kunde uns dabeihaben möchte, also auch im Ausland«, sagt Ott.

Es gibt simultanes und konsekutives Dolmetschen. Beim Simultandolmetschen wird gesprochene Rede direkt in eine andere Sprache übertragen. Der Dolmetscher hört den Redner über Kopfhörer in der Kabine und überträgt den Redebeitrag fast zeitgleich über ein Mikrofon in die andere Sprache. Beim Konsekutivdolmetschen hört man dem Redner eine, zwei oder bis zu zehn Minuten zu, macht sich anhand einer speziellen Technik Notizen und dolmetscht dann, hört dem Antwortenden zu und übersetzt dann wieder. Ott bietet beides an, die Kunden verlangen aber meist Simultan.

Sprachliches Talent und das Beherrschen von Fremdsprachen sind Grundvoraussetzungen für diesen Beruf, »denn an der Uni lernt man nicht Sprachen, sondern Techniken, um mit dem Handwerkszeug umgehen zu können. Jede Sprache hat ihre eigenen Tücken und damit lerne ich umzugehen.« Jeder entwickelt seine Routinen. »Im Deutschen ist es beispielsweise so, dass das Verb am Schluss kommt, im Englischen kommt es ganz am Anfang. Also wenn ich aus dem Deutschen ins Englische dolmetsche, muss ich – abgesehen davon, dass die Sätze um ein Drittel länger werden – viel antizipieren, also vorwegnehmen, wohin es im Satz gleich gehen wird.« Beim Simultandolmetschen kann sie nicht warten, bis der Redner seinen Satz beendet hat.

Ganz entscheidend ist in ihrem Beruf die Vorbereitung. »Das schulde ich dem Kunden, aber auch meinem Ruf als Dolmetscherin. Ich muss mich inhaltlich vorbereiten, ich sollte also beispielsweise auch wissen, ob diese Person für oder gegen etwas argumentiert.« Das alles hilft ihr, um die Sätze und ihre Bedeutung vorausahnen zu können.

Im Englischen gibt es laut Ott die besondere Herausforderung, dass da »oft keine Englisch-Muttersprachler miteinander sprechen oder Vorträge halten.« Oft sei das, was da gesprochen wird, nur der kleinste gemeinsame Nenner, nämlich Englisch als Lingua Franca. Um sich vorzubereiten, »gehe ich auch auf YouTube und schaue, ob der Gesprächsteilnehmer, den ich dolmetschen werde, schon irgendwo etwas gesagt hat.«

»Ich darf nicht stammeln, nicht stottern«

Dolmetscher müssen auf Situationen blitzschnell reagieren. »Es passiert immer wieder, dass ich ein Wort nicht höre, beispielsweise wenn ich huste oder mein Kabinenpartner hustet oder der Redner.« Dann muss sie improvisieren. Natürlich kommt es vor, dass ihr mal ein Wort nicht einfällt, »ich bin ja keine Maschine, dann suche ich mir einfach ein anderes Wort, dass den Sinn nicht entstellt.« In solchen Momenten hilft ihr die Routine, die jahrelange Erfahrung, die man sich aneignet. Man lernt, sich von solchen Kleinigkeiten nicht aus dem Takt bringen zu lassen. »Im Prinzip geht es beim Simultan-Dolmetschen darum, dass ich Sinneinheiten übersetze.« Dolmetschen sei kein wortgetreues übersetzen, erläutert Ott. »Ich kann immer nur nach bestem Wissen und Gewissen dolmetschen, aber es ist nie und nimmer eine perfekte Übersetzung. Das darf man nicht miteinander vergleichen.« Bei schriftlichen Übersetzungen sei das natürlich anders.

Monika Ott macht auch TV-Einsätze. »Da muss man besonders schnell sein und bei zehn Minuten Fernseheinsatz sofort auf Hundert sein, da gibt es keinerlei Aufwärmphase. Das muss sitzen, ich darf nicht stammeln, nicht stottern und ich darf auch nicht zu lange warten, bis ich vielleicht ahne, wohin der Satz des Sprechers führt. Das sind ganz spezielle Arbeitsbedingungen. Viele sagen, Fernsehen machen sie nicht, das ist zu stressig, denn wenn da mal was in die Hose geht, dann hören das alle mit.« Sie hat Respekt vor solchen Einsätzen, aber keine Angst.

US-Präsident Donald Trump zu dolmetschen, nennt sie anspruchsvoll, »weil er unstrukturiert ist in der Sprache. Ich tue mich als Dolmetscher leichter, wenn es im Text logische Folgen gibt, aber das gibt es bei Trump nicht. Er ist nicht intellektuell oder terminologisch anspruchsvoll, aber von der Irrationalität der Art zu sprechen.« Sie hat ihn allerdings noch nicht live gedolmetscht.

Doch wie es der Zufall will: Zwei Tage, nachdem Ott das Problem in unserem Gespräch erwähnte, verlor eine Dolmetscherin der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bei ihrem Besuch im Weißen Haus im Gespräch von Meloni mit US-Präsident Donald Trump vor den Kameras den Faden. Als Meloni dies bemerkte, übersetzte sie sich selbst. »Das zeigt, welcher Druck auf den Kollegen bei solchen hochrangigen Einsätzen lastet.«

Noch-Kanzler Olaf Scholz hat Monika Ott dagegen mehrfach gedolmetscht. Auch er sei schwierig: »Scholz sagt so gar nichts. Das ist insofern ebenfalls anspruchsvoll, weil man sich fragen muss, was will er denn jetzt eigentlich sagen? Man kann kaum antizipieren.«

Der Beruf hat viele angenehme Seiten. Als Dolmetscher lernt Ott interessante Leute kennen, erfährt oft Dinge, die nicht für alle Ohren sind und kommt an Orte, wo nicht jeder hineinkommt. Der Beruf sei sehr abwechslungsreich und interessant. Das mag sie.

»Die Menschen denken, dass KI gut ist«

Ihre beiden Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren wachsen dreisprachig auf. »Ich würde es ihnen aber nicht anraten, diesen Beruf zu ergreifen, weil ich meine, dass es durch die KI (Künstliche Intelligenz) immer schwieriger wird, sich so zu etablieren, dass man noch Spaß an der Arbeit hat und gut davon leben kann. Ich möchte es aber nicht so dargestellt haben, dass die KI unseren Job nimmt, weil sie gut ist, sondern weil die Menschen denken, dass sie gut ist, aber das ist überhaupt nicht der Fall. Das ist die Crux. Dahintersteckt auch, dass gute Kommunikation in unserer Gesellschaft heutzutage einen geringen Stellenwert genießt. Das ist etwas, was mir Sorge macht, wenn man sagt, das, was die KI macht, reicht doch irgendwie auch. Aber ansonsten bin ich zuversichtlich.«

Mit Familie und Vollzeitberuf ist man schon gut beschäftigt. Zum Ausgleich joggt sie, wenn es die Zeit zulässt – »und Kochen und im Garten arbeiten ist auch schön.« Außerdem ist sie öfters in Langenau bei den Eltern und Freunden zu Besuch: »Ich bin sehr heimatverbunden«. Sie spricht im Norden Hochdeutsch, so wie sie auf der Homepage anmerkt, aber sie liebt das Schwäbische, das sie keineswegs verlernt hat. (GEA)