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Das letzte Kapitel der »Landshut«

Das ehemalige Flugzeug wird in Friedrichshafen zum Erinnerungsort an den RAF-Terror umgerüstet

Der Rumpf der »Landshut« ist in einer Halle am Rande des Flughafens Friedrichshafen geparkt. Das Wrack soll für die Öffentlichke
Der Rumpf der »Landshut« ist in einer Halle am Rande des Flughafens Friedrichshafen geparkt. Das Wrack soll für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. FOTO: FRICKER
Der Rumpf der »Landshut« ist in einer Halle am Rande des Flughafens Friedrichshafen geparkt. Das Wrack soll für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. FOTO: FRICKER

FRIEDRICHSHAFEN. Die Halle Q an der Flughafenstraße 28 in Friedrichshafen wirkt unscheinbar. Ein heller Zweckbau mit konventionellem Dach. Dutzende solcher Hangars stehen am Rand der Rollbahn des Regionalflughafens. "Dennoch unterscheidet sich das Anwesen Nummer 28 von seinen Nachbarn: Im Inneren der ehemaligen Werkstatt steht der Rumpf eines Flugzeugs, das unfreiwillig deutsche Geschichte geschrieben hat. Hier parkt das, was von der ehemals stolzen Lufthansamaschine "Landshut" übrig geblieben ist. Das Wrack soll Mittelpunkt einer Ausstellung werden, die von der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) organisiert wird.

»Wir werden hier einen Ort der historischen Bildung errichten«, sagt Christian Gieseke. Zusammen mit drei Kollegen stellt er das Team, das die »Landshut« herrichten und museumsreif machen soll. Momentan ist das Flugzeug vom Typ Boeing 737-200 in jämmerlichem Zustand. Die ursprüngliche Lackierung ist mehrfach übermalt worden. Die Außenhaut des Fliegers ist völlig verschmutzt. Reinigungskräfte putzen die Oberfläche mit Wasser und Schwamm, aber ohne Lauge. An seinem vorletzten Standort in Fortaleza setzten sich Rotalgen fest, deren grauer Rest muss jetzt weg. Der Vogel wirkt inzwischen wie ein trauriger Pottwal, der gestrandet ist.

»So ein Projekt hatten wir noch nie«

»Die ›Landshut‹ wird nur gereinigt, nicht restauriert«, sagt Gieseke. Die Besucher sollen das Flugzeug eines Tages begehen können. In den Urzustand soll sie nicht zurückversetzt werden, das wäre auch entschieden zu teuer. Aktuell sind 15 Millionen Euro für die Reparatur und das Herrichten von Halle 28 vorgesehen. Dieses Budget ist fixiert und kann auch nicht von einer neuen Regierung verkleinert werden. Der Topf für das Projekt Landshut geht auf einen Beschluss des Bundestages zurück. Dieser beauftragte die Bundeszentrale mit der Sicherung des Flugzeugs, das 1977 von palästinensischen Terroristen entführt worden war, um Geiseln der RAF freizupressen.

Sigmar Gabriel ergriff Initiative

Die »Landshut« hat eine bewegte Geschichte hinter sich – auch nach der spektakulären Entführung. Nach der Lufthansa hatte die Boeing später wechselnde Besitzer. Zuletzt war sie in Fortaleza abgestellt, dort verstaubte sie unter den subtropischen Bedingungen. Zeithistoriker machten darauf aufmerksam, bis der damalige Außenminister Sigmar Gabriel 2017 die Initiative ergriff: Er ließ die inzwischen zerlegte Maschine von Brasilien nach Friedrichshafen einfliegen. In einer spontanen Rede schob der SPD-Politiker die Obhut für das Wrack der Stadt Friedrichshafen zu, bei der Gabriel große Reichtümer vermutete. Doch hatte der spendable Minister (der wenige Wochen später die Politik verließ) die Rechnung ohne den schwäbischen Wirt gemacht: Gemeinderat und OB nahmen das gut gemeinte Geschenk nicht an; sie ahnten kaum bezifferbare Folgekosten.

Viele Bürger der reichen Stadt am Bodensee fragten sich, was die "Landshut" überhaupt mit ihnen zu tun hat. Erst der Bundestag machte das Projekt flott und gab es in die Hände der BpB, die am Bundesinnenministerium angesiedelt ist. Bis Ende 2026 soll die Maschine vorzeigbar sein. Bis dahin soll der Hangar einer modernen Ausstellung ähneln mit Schautafeln, Videos und Bildern und Interviews mit den damaligen Passagieren. Das ist, gemessen an der Aufgabe, nicht viel Zeit. »So ein Projekt hatten wir noch nie«, sagt Christian Gieseke. Die inhaltliche Linie ist klar: Besucher sollen nicht überwältigt, sondern informiert werden. Das Wrack der "Landshut" ist ohne alles Zutun imposant, gerade in diesem ruinösen Zustand. Der künftige Erinnerungsort werde sich dabei nicht darauf beschränken, was damals und 1977 war. "Der Ort soll bis heute weiterführen", versichert Gieseke, Fragen der Gegenwart sollen miteinfließen, etwa diese: Wie geht eine Gesellschaft mit Terror um?

Bis dahin ist noch viel Arbeit. Immerhin ist der ehemalige Personenflieger in seiner technischen Struktur komplett sortiert. Am Rand der Halle sind die beiden Flügel säuberlich auf einem gelben Gestell gelagert. Auch das ausgebaute Fahrgestell wurde aus Brasilien mitgeschickt, dazu drei Motoren, einer davor offenbar als »Ersatzmotor«. Damit die Einzelteile beim Transport keinen Schaden nehmen, wurden sie mit neuen Matratzen abgepolstert. Das ist nur eines von vielen auch skurrilen Details, die sich um das berühmte Fluggerät ranken. (GEA)

 

IRRFAHRT DER »LANDSHUT«

Die Lufthansamaschine »Landshut« und deren Entführung am 13. Oktober 1977 markiert den Höhepunkt des sogenannten Deutschen Herbstes. Die Geiselnahme an Bord begann am 13. Oktober 1977 und dauerte fünf Tage. Die Maschine befand sich auf dem Flug von Palma de Mallorca nach Frankfurt, als sie von vier palästinensischen Terroristen entführt wurde. Sie verlangten die Freilassung von elf RAF-Mitgliedern. Fünf Tage später wurde die »Landshut« von einem Kommando der GSG 9 gestürmt und 86 Passagiere befreit. Jürgen Schumann, Kapitän des Flugzeugs, war zuvor von den Geiselnehmern erschossen worden. (uf)