STUTTGART. Für Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, war es ein »emotionaler Schock«, als Melanie Bergermann von der »Wirtschaftswoche« im August vorigen Jahres in ihrem Magazin berichtete, die Eigentümerfamilien von Breuninger planten unter dem internen Codewort »Project Keystone« (übersetzt: Projekt Schlussstein) den milliardenschweren Verkauf der Marke, damit auch des operativen Geschäfts sowie sämtlicher Immobilien in 13 Städten.
DIE GESCHICHTE VON BREUNINGER
Geschichte: 1881 gründet der in Backnang geborene Eduard Breuninger in Stuttgart ein Warenhaus. Das Unternehmen ist erfolgreich, überlebt beide Weltkriege und wächst. In den 1970er-Jahren beginnt eine Expansion, die aus dem Stuttgarter Kaufhaus eine deutschlandweite Kette werden lässt. Inzwischen wird die Hälfte des Umsatzes von rund 1,5 Milliarden Euro online gemacht. Standorte: Neben dem Stammhaus in der Stuttgarter Innenstadt, auf dem Immobilienmarkt ein Filetstück, gibt es in der Region zudem große Einkaufszentren in Sindelfingen und Ludwigsburg. Auf Teilen der Sindelfinger Fläche plant Breuninger seit 2021 einen komplett neuen Stadtteil zu bauen. Insgesamt hat das Unternehmen Häuser in zwölf Städten und beschäftigt 6.500 Menschen. Eigentümer: Die Breuninger-Holding, die Muttergesellschaft des Unternehmens, wird von dem Bonner Rechtsanwalt Wienand Meilicke und dem früheren Breuninger-Chef Willem van Agtmael kontrolliert. Van Agtmael wurde 1980 nach dem Tod von Heinz Breuning als erstes Nichtmitglied der Familie Geschäftsführer. Seit 2004 sind zudem die Breuninger-Erben nicht mehr im Boot. (GEA)
Den Großteil des Unternehmenswerts, darauf wurde oft hingewiesen, machen die Breuninger-Immobilien aus: Allein diese Summe wird auf 1,8 Milliarden Euro geschätzt. Die Nachricht, die »Perle des deutschen Handels«, die tief in Stuttgart verankert ist und auch in jüngster Zeit starke Umsätze macht, könne in den Besitz ausländischer Investoren gelangen, war der Aufreger des vergangenen Sommers.
Wie geht es weiter?
Seitdem hat man öffentlich allerdings nichts mehr über den Fortgang des »Project Keystone« gehört. Die zunächst äußerst beunruhigte Belegschaft samt der überraschten Politik, die nichts davon ahnte, so scheint es, ist in den Alltag zurückgekehrt – und die Stuttgarterinnen und Stuttgarter haben das Gefühl, dass »ihr Breuninger« womöglich doch nicht in auswärtige Hände gerät. Doch ist das auch so, oder täuscht dieser Eindruck?
Anruf bei der Redakteurin, die mit der Nachricht vom geplanten Verkauf als Erste auf dem Markt war. Melanie Bergermann von der »Wirtschaftswoche« geht weiterhin davon aus, dass momentan Gespräche mit verschiedenen Interessenten stattfinden, sagt sie uns. Es werde wohl geprüft, ob das Traditionshaus Breuninger komplett, also das operative Geschäft sowie die Immobilien zusammengeschnürt, verkauft werden solle – oder die beiden Bereiche getrennt voneinander. Bei einer so hohen Verkaufssumme müsse die Finanzierung auf sicheren Beinen stehen, was viel Zeit beanspruche, gibt Melanie Bergermann zu bedenken.
Austausch mit der Breuninger Geschäftsführung
Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) versichert auf Anfrage, er sei im »ständigen Austausch mit der Breuninger-Geschäftsführung«. Ihm seien aktuell »keine neuen Entwicklungen« bekannt. Genau so lautet auch die Erklärung des Handelsverbandes von Baden-Württemberg. Seit dem vergangenen Sommer habe man nichts Neues vernommen. Der »emotionale Schock« scheint abgeklungen. Und Citymanager Holger Siegle teilt mit, er wisse »null, zero«, ob der Verkauf bei Breuninger fortschreitet. Auch außerhalb von Stuttgart werde er immer wieder darauf angesprochen.
Andreas Wallbillich, seit dem vergangenen Juli Chef der Unternehmenskommunikation von Breuninger, kann ebenfalls keine Antwort auf die Frage geben, ob ein Eigentümerwechsel der Mode- und Lifestylekette bevorstehe.
Als mögliche Kaufinteressenten gelten unter anderem: die Union Investment, die Investmentbank Morgan Stanley, die Central Group, ein thailändisches Unternehmen im Besitz der Familie Chirathivat, die spanische Warenhauskette El Corte Inglés sowie die französische Kette Galeries Lafayette. Offizielle Aussagen dazu gibt es weder von den möglichen Investoren noch von Breuninger.
Verkauf hat noch nicht stattgefunden
Doch was geschieht backstage? Kommt irgendwann der große Knall – oder bleibt alles so, wie es ist? Wen auch immer man in der Immobilienbranche fragt, unisono hört man: Der Verkauf habe noch nicht stattgefunden, denn das hätte sich sonst herumgesprochen.
Senator Frank Peter Unterreiner, der den »Immobilienbrief« für Stuttgart und München herausgibt, sagt, er habe sich im vergangenen Jahr über den Zeitpunkt gewundert, zu dem die Eigentümerfamilien von Breuninger angeblich den Verkauf angestoßen haben. »Der wesentliche Teil des Unternehmenswerts beruht auf den Immobilien«, betont er, »und der gewerbliche Investmentmarkt ist in der größten Krise seit 2008/2009.« Für diese Art von Unternehmensimmobilien gebe es momentan keinen Markt, erklärt Unterreiner – erst recht nicht zu den Preisen, bei denen der Verkauf einen wirtschaftlichen Sinn mache.
Wie geht es weiter mit dem »Project Keystone«? Seine Einschätzung: »So könnte es also sein, dass der Verkauf so lange ruht, bis der Immobilieninvestmentmarkt wieder anspringt. Das wird aber wohl noch etwas dauern. Ich glaube nicht, dass sich hier dieses Jahr schon viel bewegt.« Um 13 Premiumhäuser geht es beim Breuninger-Deal sowie um den rasant wachsenden Onlinehandel, um Immobilien, die sich meist in bester Citylage befinden – beim »Project Keystone«, diesen Eindruck gewinnt man bei der Recherche, ist der Schlussstein noch lange nicht gesetzt. Doch vor Überraschungen ist deshalb niemand geschützt.(GEA)