KONSTANZ. Wer die Zeitung mit den großen Buchstaben dieser Tage aufgeschlagen hat, war schockiert: »Der bekannteste See Deutschlands trocknet aus«, schreibt »Bild« gewohnt reißerisch. Das entspricht nicht den Tatsachen, weshalb sich auch jene Leser des Blattes gewundert haben, die am Bodensee wohnen und sehen: Der See führt weniger Wasser als sonst im Frühjahr, doch auf dem Trockenen sitzen weder Menschen noch Fische. Gewöhnlich steht der Pegel zu dieser Jahreszeit bei drei Meter, gemessen an der Hafeneinfahrt von Konstanz. Aktuell pendelt er bei 2,72 Meter (Stand 9. April). Vor einem Jahr war es anders: Statt Niedrigwasser hatten Regen und Schneeschmelze ungewöhnlich viel Wasser in den See gespült; Anfang April 2024 zeigte die Messstation in Konstanz 3,39 Meter an.
Die Schifffahrt stört das Niedrigwasser bisher nicht. Die Weiße Flotte, wie die prächtigen Ausflugsschiffe wegen ihres hellen Anstrichs genannt werden, ging am Wochenende in die neue Saison. Zuvor waren einige Schiffe ins Trockendock gezogen, sie wurden dort frisch gestrichen, die Mahagoniplanken ausgetauscht. Die Häfen sind tief genug ausgebaggert, so dass sie nach bisherigem Stand gut angefahren werden können. Das berichtet Norbert Reuter, Geschäftsführer der Bodensee Schifffahrtsbetriebe (BSB). Die »MS Baden« und ihrer Schwestern können Kurs auf Überlingen oder die Mainau nehmen. Nur hinter das Befahren der Anlegestelle vor Langenargen (Bodenseekreis/FN) muss nach SWR-Informationen ein Fragezeichen gemacht werden.
Zurückhaltender sind die Schiffsbetreiber am Untersee – dem westlichen und kleineren Teil des Bodensees. Obwohl durch den Seerhein mit dem Obersee verbunden, bildet er ein eigenes Gewässer. Der Rhein wirkt eher als Propfen denn als Zuträger. Am Untersee scheint der Wasserstand bereits bedrohlich flach zu sein. Teile des naturgeschützten Wollmatinger Winkels verlanden. Breite Sandbänke treten hervor. In diesem landschaftlich besonders reizvollen Gelände verkehren die flachen Schiffe der Untersee und Rhein (URh), die eigentlich vor Ostern an den Start gehen wollen. Der Wasserstand sei besorgniserregend, berichtet URh-Chef Remo Rey. »Wir hoffen auf ein paar Tage Landregen«, sagt Rey zur Eröffnung der Saison. Ob die flachen Rheinschiffe fahren können oder nicht, werde Mitte des Monats entschieden. Das Schweizer Ufer ist stark betroffen: Der Yachthafen in Berlingen im Kanton Thurgau liegt trocken.
Fachleute haben für den ungewöhnlich schwachen Wasserstand zwei Erklärungen: Seit Wochen hat es kaum mehr ordentlich geregnet. Und: In den Alpen liegt weniger Schnee als in den Vorjahren. Die Schneeschmelze füllt den Bodensee zuverlässig jedes und jedes Jahr. Der Mai ist im ökologischen Haushalt des Gewässers der entscheidende Monat. In diesem Monat steigt der Spiegel. Hauptlieferanten sind der Rhein und die Bregenzer Aach.
»Wir hoffen auf ein paar Tage Landregen«
Entwarnung gibt es für die wichtigste Aufgabe des Schwäbischen Meeres: Es wird trotz schwachen Pegels zuverlässig das Trinkwasser liefern. Der Niederstand wirkt sich nicht auf die Versorgung mit dem lebenswichtigen Nass aus, berichtet die Sprecherin des einschlägigen Zweckverbandes, Teresa Brehme. Vor dem Ufer von Sipplingen (nahe Überlingen) wird das Wasser in einer Tiefe von 70 Meter entnommen und aufbereitet. Dieser Vorgang sei gewährleistet, heißt es beim Wasserversorger. Im Jahreszyklus des Bodensees sei Niedrigwasser ein ganz gewöhnlicher Vorgang, auch wenn dieses Phänomen in diesem Jahr besonders drastisch ausfällt. (GEA)
UNGETRÜBTER URLAUBSSPASS
Tourismus-Verband sieht keine Probleme
Auch der Tourismus-Verband Baden-Württemberg ist optimistisch. Der Pegelstand des Sees liege zwar derzeit unter dem langjährigen Mittel, dies schränke die Erlebnisqualität jedoch kaum ein, sagt der Präsident des Verbands, Dr. Patrick Rapp. »Wer momentan einen Urlaub oder Ausflug an den Bodensee plant, kann sich auf ein erlebnisreiches und vielfältiges Urlaubsvergnügen freuen«. Saisonale Pegelschwankungen seien am Bodensee normal, vor allem im Frühjahr und Herbst. Auch andere Freizeitaktivitäten an Land und auf dem Wasser seien aktuell fast uneingeschränkt möglich. Wie die Schifffahrt mit der »Weißen Flotte«. Der Tourismus-Verband empfiehlt, sich auf der Internetseite der Bodenseeschifffahrtsbetriebe tagesaktuell über mögliche Einschränkungen bei der Anfahrt einzelner Landestellen zu informieren. (GEA) www.bsb.de