STUTTGART. Es kursiert in der Landeshauptstadt unter Uneinsichtigen eine Anleitung zum unerlaubten Fahren mit Dieselautos der Euronorm 4 und schlechter trotz des vor einem Jahr eingeführten Verbots: Auf Privatparkplätzen oder in Parkhäusern parken, mit etwas Glück in keine Polizeikontrolle geraten und an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, damit man nicht geblitzt wird. »Dann merkt das kein Mensch«, heißt es im Volksmund der hartnäckigen Dieselfahrer mit Euronorm 4 und schlechter. Doch die Tipps scheinen einen Insiderkreis nicht verlassen zu haben, wie die Zahl der im vergangenen Jahr beanstandeten Fahrten trotz des Verkehrsverbots für Diesel der Abgasnorm Euro 4 und schlechter zeigt. Denn insgesamt wurden 2 943 Bußgeldbescheide à 80 Euro ausgestellt. 2 862 sind bereits rechtskräftig.
Auf den Schreibtischen in der Bußgeldstelle sind 450 000 Fälle von Verkehrssündern gelandet. Diese überprüften die Mitarbeiter neben den Verstößen, mit denen sie auffielen, auf die Abgasklasse und die Vereinbarkeit mit den Verkehrsverboten, welche seit dem 1. Januar 2019 gelten. Von diesen 450 000 Fällen waren 38 Prozent im sogenannten ruhenden Verkehr negativ aufgefallen – das sind rund 171 000 Falschparker. Den Mammutanteil machen die Raser aus, die wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurden, nämlich 92 Prozent der verbliebenen 279 000 geprüften Fälle. 25 6680 Autofahrer waren zu schnell unterwegs an Stellen, wo die Stadt einen stationären oder mobilen Blitzer stehen hatte. 16 740 Autos wurden von der Verkehrsüberwachung erfasst, weil ihre Fahrer eine Rot zeigende Ampel nicht beachtet hatten. Die restlichen zwei Prozent sonstiger Verstöße schlüsselt die Statistik nicht extra auf.
Ein Handwerker will nicht zahlen
Einer, der eigentlich die Auskunft hatte, fahren zu dürfen, kämpft am heutigen Mittwoch vor dem Amtsgericht gegen das ihm auferlegte Bußgeld. Ein Handwerker aus dem Rems-Murr-Kreis sollte zahlen.
Er war nach einem Anruf bei der Stadt Stuttgart davon ausgegangen, er brauche keine Ausnahmegenehmigung, da Handwerker fahren dürfen, wenn sie etwas zur Baustelle transportieren müssen – wohlgemerkt etwas, was sich nur im Fahrzeug unterbringen lässt. Dann fuhr er zu schnell in Stuttgart und wurde geblitzt. Dass er nicht nur für die Geschwindigkeitsübertretung, sondern auch für den Verstoß gegen das Luftreinhaltungsgesetz zahlen sollte, sah er nicht ein. Er legte Widerspruch ein. Verstöße gegen das Dieselfahrverbot hat die Stadt bei den 450 000 überprüften Verkehrssündern 6 716 festgestellt. »Das entspricht etwa 1,5 Prozent der überprüften Fälle«, sagt die Pressesprecherin Jasmin Bühler. Ob all diese 6 716 Fahrzeughalter einen Bußgeldbescheid erhalten, wird sich noch zeigen: Es wird noch geprüft, ob Ausnahmegenehmigungen für die Autos vorliegen. Die Verstöße werden noch geprüft. So kann es sein, dass die von Blitzern erfassten Fahrzeuge aufgrund einer Ausnahmegenehmigung doch in Stuttgart unterwegs sein dürfen.
Die Zahlen geben keinen Aufschluss darüber, wie viele Fahrer das Verbot tatsächlich nicht beachten: Zählbar sind nur jene, die aufgrund anderer Verstöße in der Bußgeldstelle landen. Die Zahl der rechtskräftigen Bußgeldbescheide ist im vergangenen Jahr in der monatlichen Statistik der Stadt im September sprunghaft angestiegen. (GEA)
LUFTQUALITÄT
Verwaltungsgericht greift zu höheren Strafzahlungen
Im Streit um die Luftqualität und Fahrverbote in Stuttgart greift das Verwaltungsgericht zu höheren Strafzahlungen und brummt dem Land ein Zwangsgeld von 25 000 Euro auf – statt wie bisher 10 000 Euro. Außerdem muss die Summe diesmal nicht an die Justizkasse, sondern an eine gemeinnützige Organisation gezahlt werden, wie das Gericht mitteilte. Hintergrund ist, dass das Land ein Urteil aus dem Sommer 2017 noch immer nicht vollständig umgesetzt hat. Damals hatte das Verwaltungsgericht entschieden, dass auch für Euro-5-Diesel flächendeckende Fahrverbote eingeführt werden müssen. Die aktuellen Pläne für ein mögliches Fahrverbot vom 1. Juli 2020 an reichen aus Sicht der Richter nicht aus. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die das Zwangsgeld beantragt hatte, zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. Das Land will erstmal prüfen, signalisierte aber schon grundsätzliche Zahlungsbereitschaft. (dpa)